35 Jahre Live Aid: Der Tag, der die Welt rockte

35 Jahre Live Aid: Der Tag, der die Welt rockte
Auftretende Künstler wie Brian May von Queen, Bryan Ferry, Phil Collins und Initiator Bob Geldof erinnern sich.

13. Juli 1985, Wembley Stadion, London. Der Platzsprecher begrüßt Punkt 12 Uhr mittags 70.000 Gäste zum „Live Aid“-Konzert: „Hallo Wembley, die Welt schaut auf euch!“

Und wie sie das tat: Die BBC hatte für die Benefiz-Initiative von Bob Geldof gegen die Hungersnot in Äthiopien 16 Stunden Programm freigeräumt, übertrug auf beiden Haupt-TV-Kanälen und dem Pop-Sender Radio 1. Und in die ganze Welt. Das Marathonkonzert mit den größten Rockstars dieser Zeit (darunter Mick Jagger, David Bowie, Queen, Status Quo, Bryan Ferry, U2, Tina Turner, Elton John, Paul McCartney und Madonna) das zusätzlich auch in Philadelphia stattfand, wurde auf 98 Prozent aller TV-Geräte gesehen – von zwei Milliarden Menschen in 150 Ländern.

Geldof, Sänger der Boomtown Rats, der 1984 mit Ultravox-Sänger Midge Ure die All-Star-Single „Do They Know It’s Christmas“ gegen die durch Dürre entstandene humanitäre Katastrophe initiiert hatte, etablierte damit ein neues Modell von Benefiz-Veranstaltung, das oftmals kopiert werden sollte. Und er schuf ein Event, das legendär wurde.

„Das liegt daran, dass es eine Feier der Menschlichkeit war“, sagt Geldof. „Es war eine Feier dessen, was man zustande bringen kann – selbst wenn Regierungen sich nichts scheren.“

Francis Rossi von Status Quo, die die Show in London mit „Rockin’ All Over The World“ eröffneten, pflichtet ihm im Interview mit dem Observer bei: „70.000 waren nicht nur da, um ein Konzert zu sehen, sie waren Teil einer Bewegung. In Wembley herrschte so eine euphorische Stimmung. So etwas habe ich seither nie wieder empfunden.“

Gary Kemp flog für den Auftritt seiner Band Spandau Ballet nach London – über das sich füllende Wembley Stadion: „Schon da oben spürte man, dass sich das Event tief einprägen würde. Die Massen strömten nach Wembley und der Rest von London war leer.“

Schwarzhändler, die bei Einlass vor dem Stadion ihre Tickets anbringen wollten, blieben darauf sitzen, obwohl die am Tag davor noch für den zehnfachen Normalpreis gehandelt wurden. Das Risiko, Live Aid nicht zu sehen, ging keiner ein. Wer kein Ticket hatte, saß zu dem Zeitpunkt längst mit Freunden bei einer TV-Party. Deshalb konnten die Dire Straits, die am Abend eine Show in der benachbarten Wembley Arena spielten, nach ihrem Live-Aid-Auftritt unbehelligt zu Fuß zur Halle spazieren.

Vieles ging an dem Tag schief. Bryan Ferry erinnert sich: „Wir hatten David Gilmour von Pink Floyd an der Gitarre, aber die war zwei Songs lang nicht zu hören. Der Schlagzeuger hatte mit seinem ersten Schlag das Fell einer Trommel durchbohrt. Und dann fiel auch noch mein Mikrofon aus.“

Als Paul McCartney mit „Let It Be“ zum Finale ansetzte, war er anfangs im Stadion nicht zu hören. The Who hatten kaum geprobt und nicht ihren besten Tag. Und der PR-Beauftragte Bernard Doherty bezeugt ein „typisch englisches“ Organisationschaos: „Ich musste laufen, um den Text zu ,Do They Know It’s Christmas’ zu kopieren. Bob war eine halbe Stunde bevor das zum Abschluss alle Künstler singen sollten, draufgekommen, dass die Hälfte den Text nicht kannte.“ Aber wie Phil Collins sagt: „Die Essenz war nicht, gut rüberzukommen, sondern dabei zu sein.“

Der Genesis-Sänger war der einzige mit einem Doppelauftritt. Er spielte am Nachmittag in Wembley, flog dann mit der Concorde nach Amerika  und sang  in Philadelphia noch einmal. „Ich sollte mich aus der Concorde per Audioschaltung melden“, erinnert er sich. „Der Pilot sagte, sag aber niemandem, dass ich dir das erlaubt habe, denn ich darf es dir nicht erlauben. Ich dachte, das ist verrückt, das werden zwei Milliarden Menschen hören.“

An dem Tag am besten waren Queen. Sie hatten vier Tage für den 20-minütigen Auftritt geprobt. Gitarrist Brian May war trotzdem nicht zufrieden, als er von der Bühne kam: „Ich fand, wir waren zu hektisch. Aber Freddie war unsere Geheimwaffe. Er konnte mühelos jeden erreichen. Es war seine Nacht.“

140 Millionen Pfund spielte das Event alleine an diesem 13. Juli 1985 ein. Zum Teil wegen David Bowie. „David und ich sahen uns die Doku von Afrika an, die Geldof dazu gebracht hatte, aktiv zu werden“, erzählt Konzertveranstalter Harvey Goldsmith. „David sagte sofort: ,Die musst du in der Show zeigen. Zeige sie anstelle von einem meiner Songs.’ Das taten wir. Und Nachdem sie gelaufen war, glühten die Spenden-Telefone und die Kasse begann richtig zu klingeln.“

Auch 35 Jahre danach kommt – über Radioneinsätze von „Do They Know It’s Christmas“ und TV-Rechte von Live Aid – noch Geld auf das Konto des „Band Aid“-Trusts. Immer noch schicken Bob Geldof und Midge Ure – wie sie es sich und der Welt damals geschworen haben – jeden Penny davon nach Afrika, indem sie die Verwaltungs- und Telefonkosten aus eigener Tasche bezahlen.

Wie wichtig und bahnbrechend das, was er und Geldof mit Band Aid und Live Aid geschaffen haben, für die Welt war, erfuhr Ure kürzlich von einem kleinen Mädchen aus seiner Nachbarschaft: „Sie sagte, sie habe darüber im Geschichtsunterricht gelernt, und dabei sei auch ich vorgekommen. Das ist bizarr.“

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