20 Jahre 2raumwohnung: Inga Humpe im Interview

20 Jahre 2raumwohnung: Inga Humpe im Interview
Die Musikerin über das Jubiläum von 2raumwohung, ihre Kindheit und ein „unverschämtes Porträt“

Mit ihrer Band 2raumwohnung feiert Inga Humpe heuer schon das 20-Jahr-Jubiläum: Der erste Hit der Berliner Elektropop-Formation, „Wir trafen uns in einem Garten“, erschien im Jahr 2000. Nun hat die 63-jährige Sängerin vor der Jubiläumstournee, die am 29. März auch in die Wiener Arena führt, ein nach diesem Song betiteltes Buch herausgebracht.

KURIER: Sie verbinden in Ihrem Buch „Wir trafen uns in einem Garten“ all Ihre Liedtexte mit einer eigenen Erzählung und Beiträgen von Benjamin von Stuckrad-Barre und Helene Hegemann. Wie entstand die Idee zu dem Buch?

Inga Humpe: Das hängt damit zusammen, dass ich voriges Jahr den Fred-Jay-Preis für „Herausragende deutsche Liedtexte“ bekam. Ich hatte schon vorher überlegt, dass es schön wäre, die Texte abgedruckt zu haben. Denn es gibt viele Leute, die beim Musikhören gar nicht auf die Texte achten. Und es ist etwas ganz Anderes, wenn man die Texte nur liest. Nach dem Preis dachte ich, vielleicht hat so ein Buch ja seine Berechtigung. Und dann hatte ich noch diese Kurzgeschichte, die ich schon 2003 geschrieben hatte.

Welchen Unterschied glauben Sie, macht es für einen Rezipienten, wenn er Ihre Texte liest und nicht mit Musik hört?

Das kann ich nicht sagen, weil das außerhalb meines Erfahrungsbereiches liegt. Aber ich habe jetzt schon ein paar Lesungen gemacht und gemerkt, dass die Texte, wenn ich sie selbst lese, ganz anders auf mich selbst wirken, als wenn ich sie singe. Denn beim Live-Spielen sind mit der Musik und dem Publikum so viele andere Eindrücke dabei. Da sind Texte viel flüchtiger. Ich würde das so vergleichen: Ein Lied ist wie eine Torte mit vielen Schichten, mit Kuchen, Creme und anderem Zeugs drauf. Wenn man Texte nur liest, ist das wie ein Apfel – einfach purer. Komischerweise kann ich meine Texte, wenn ich sie nur lese, auch nicht auswendig. Beim Singen ist das natürlich kein Problem.

In Ihrer Erzählung in dem Buch, die „Gewächs“ heißt, gehen Sie in ganz frühe Kindheitserlebnisse zurück und erzählen aus der Sicht von damals. Inwiefern war diese Episode aus der Kindheit prägend für Sie?

Ich glaube, dass sich viele Leute mit der Sichtweise des kleinen Kindes auf seine Familie und die damalige Zeit identifizieren können. Man hat ja als Kind so einen brutalen, glasklaren Blick auf die Dinge. Und ich habe gemerkt, dass mir aufgrund dieser Story viele Leute sagten: „Mir ging es auch so!“ Man hatte Verhältnisse, die man nicht verstanden hat, fand vieles ungerecht und fühlte sich nicht geborgen. Das lag an der Zeit. Ich war in den späten 50er-Jahren, Anfang der 60er-Jahre Kind. Da herrschte noch stark die Nachkriegsstimmung. Meine Eltern und meine Großmutter waren davon gebeutelt, die waren deprimiert und verängstigt.

Haben Eltern und Großeltern diese Angst an Sie weitergegeben? Ihrer Erzählung nach scheinen Sie als Kind unglücklich gewesen zu sein.

Dass so eine Angst weitergegeben wird, ist schwer zu verhindern. Ich glaube auch, dass Kinder das viel stärker aufnehmen, weil sie nicht genau wissen, was das ist. Für mich war damals Musik etwas, das mich aus der Härte des Alltags gerissen hat. Ich habe aber in dieser Erzählung im Buch eine besonders harte Situation beschrieben. Es gab bei uns auch jede Menge anderer Situationen. Meine Eltern hatten ein Café, da war oft gute Stimmung, es war nicht immer so dramatisch. In dem Café ging es aber hoch her, weshalb die Geborgenheit nicht vorhanden war. Danach sehnt man sich natürlich schon. Und Musikmachen und Schreiben war mein Versuch, mir eine Welt zu schaffen, in der ich mich wohlfühlen konnte.

Ab wann haben Sie sich im Leben geborgen gefühlt?

Relativ spät, ich glaube erst mit 40 Jahren. Ich habe mir bis dahin leider immer schwierige Beziehungen und schwierige Konstellationen ausgesucht, weil das vertraut war. Bis man es schafft, das definieren zu können und sein Leben anders zu führen, das dauert.

Benjamin von Stuckrad-Barre hat für das Buch ein „unverschämtes Porträt“ über Sie geschrieben.

Genau. Er ist ein wilder Geist, der immer tolle Begriffe hat und Leute nicht idealisiert. Er ist zwar Fan, bringt sich aber komplett mit seiner Person ein. Deshalb wollte ich ihn dafür haben. Ich habe ihm 30 SMS aus aller Welt geschickt, habe ihn mit all meinem Charme wochenlang regelrecht belagert, dass er die Laudatio für mich beim Fred-Jay-Preis hält. Das hat er dann auch gemacht, ist extra dafür aus Los Angeles gekommen. Und sein Kapitel im Buch ist ein Teil dieser Laudatio.

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