Außerdem können doch Fräuleins unmöglich in Gesellschaft von jungen Männern ihren Studien gewissenhaft nachkommen ohne die Ruhe und Ordnung des Institutes zu schädigen. Über allem schwebte also der sittliche Aspekt: Fortwährend würden die Wände im Stiegenhaus mit unsittlichen Zeichnungen besudelt. Trotz aller Strenge und Wachsamkeit, konnte diesem Auswüchse jugendlicher Verirrung nicht vorgebeugt werden, welcher Unfug würde aber erst entstehen, wenn junge Mädchen in unmittelbaren Verkehr mit jungen Männern kämen. Außerdem müsse doch jedem Unbefangenen einleuchten, daß Fremden in Gesellschaft von Männern das Zeichnen, Malen und Modeliren nach dem nakten menschlichen lebenden Modelle nicht gestattet werden kann. Im Klartext: Aktstudium! Frauen und Männer zeichnen gleichzeitig nackte Körper, wo käme man da hin.
Zeitgeist
In einer Passage des Gutachtens wird den Frauen dann sogar das mangelndes Bildungsniveau zum Vorwurf gemacht. Schober: „Den einen großen Frauenverhinderer gab es nicht. Es war das ganze Kollegium“. Der Zeitgeist eben. „Das Professorenkollegium plädierte für eine eigene Frauenkunstschule, die 1897 auch tatsächlich umgesetzt wurde, weil der Bedarf einfach da war“, ergänzt Schober.
1904 gab es den nächsten Vorstoß, das nächste Gutachten: „Da wurde dann nicht mehr über sittliche Gründe gesprochen, sondern über ,das Fehlen des schöpferischen Geistes‘ und ,das Zurückdrängen des männlichen Elements‘, die Folge wäre das Überhandnehmen des Dilettantismus‘“, zitiert die Archivarin.
Die Anfrage damals kam übriges wieder vom Ministerium, weil Prag und Krakau ernsthaft über das Frauenstudium nachdachten. Frauenvereine machten nämlich nicht nur in Sachen Frauenwahlrecht Druck, sondern auch bei Bildung und Studium.
Frauenfeindlich
„Nachdem es 1904 dieses sehr negative, regelrecht frauenfeindliche Gutachten gegeben hatte, wurden die Abstände zwischen den Anfragen immer kürzer – 1907, 1911, 1913“, sagt Schober. „Politischer Druck baute sich auf.“ Doch die Professoren redeten sich auf ihr Gutachten von 1904 hinaus. Außerdem betonte man erst, dass „die Kunstgeschichte keine weiblichen Künstlerinnen herausragenden Niveaus kennt“, um es dann wieder aus dem Protokoll zu streichen.
Dann kam der Krieg, man hatte andere Sorgen. Erst in der Ersten Republik, 1920, postulierte das Ministerium: Wir wollen, dass Frauen an der Akademie studieren, schaut, dass das zustande kommt. Jetzt endlich war der Zeitgeist aufseiten der Frauen. Schober: „Es gab das Frauenwahlrecht, warum sollten Frauen also nicht gleichberechtigt an der Akademie studieren?“
Die Frauen, die dann an der Akademie begannen, hatten alle höheres Bildungsniveau und die nötigen Mittel. In den Studierendenlisten wurde vermerkt, dass der Vater für das Studium aufkomme.
„1927 fragte dann eine Frauenzeitschrift nach, wie die Erfahrungen sind, weil Frauen jetzt gemeinsam mit Männern studieren“, erzählt Archivarin Schober. Und siehe da: „Plötzlich wird das alles ganz positiv gesehen. Wenn die Frauen dieselbe Vorbildung haben, zeigen sie genauso viel Fleiß und Ernst. Werden sie gemeinsam unterrichtet, hat sich sogar der Umgangston zum Besseren verändert.“ Und überhaupt: Frauen seien ähnlich erfolgreich und hätten akademische Preise erhalten.
War da was?
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