"Neue Klänge für neue Ohren" in Krems

"Neue Klänge für neue Ohren" in Krems
Unter anderem treten Jeff Mills, Karenn, Ron Morelli und Blixa Bargeld auf.

Das donaufestival in Krems feiert von 25. April bis 3. Mai sein zehnjähriges Bestehen seit der Neuaufstellung. Der Schwerpunkt liegt heuer auf elektronischer Musik im Spannungsfeld von Klangkunst und avancierter Clubkultur, wie es in den am Donnerstag veröffentlichten Unterlagen heißt. Auftritte von u.a. Jeff Mills, Karenn und Ron Morelli sollen demnach "neue Klänge für neue Ohren" bescheren.

Techno wird zum Schauplatz von aktuellen künstlerischen Experimenten: Um das Projekt "Sleeper Wakes" des Detroiter Techno-Pioniers Jeff Mills, der im Stadtsaal eine afrofuturistische mediale Installation bauen wird, in der er zu einem stundenlangen Tanz-Exzess lädt, gruppieren sich Techno-Hybridwelten von Karenn, Boddika, Objekt und Samuel Kerridge. Einen Schwerpunkt gibt es mit Vatican Shadows Label Hospital Productions, Ron Morelli (L.I.E.S) und Ninos du Brazil.

Dem Wahlwiener Peter Rehberg, Gründer des Netzwerkes rund um sein Label Editions Mego, wird am 3. Mai ein ganzer Tag gewidmet. Auftritte von Stephen O'Malley, Kassel Jaeger, Outer Space, Compound Eye und Bill Orcutt sind ebenso angekündigt wie eine Fennesz-Premiere, Sensate Focus oder den mego-Bestsellern Chris Madak (Bee Mask) und Donato Dozzy stehen am Programm. Ebenfalls stellt Einstürzende Neubauten-Sänger Blixa Bargeld sein Projekt mit dem Italiener Teho Teardo in Krems vor.

Innovative Klangkunst

Zu hören gibt es dieses Jahr auch wieder Neuentdeckungen innovativer Klangkunst, etwa von Pharmakon, die mit ihrer Performance einen Blick in einen von Industrial und Goth inszenierten Abgrund gewährt. Nicht weniger stark werden sich u.a. der englische Künstler Matthew Barnes alias "Forest Swords" und die neue Hip-Hop-Band Clipping präsentieren.

Anlässlich des runden Geburtstags dürfen inhaltlich aufgeladene Party-Formate nicht fehlen. Neben Jeff Mills wird "Peaches" mit ihrer hoch sexualisierten, queeren wie opernhaften Performance für schweißtreibenden Tanz-Exzess sorgen. Aus den South Western Townships von Johannesburg wird sich der Neo-Warp-Künstler Mr. Nozinja, die Lichtgestalt der hochgepitchten Klang-Fusion, einfinden. Und für überwältigende Klang-Kaleidoskope sorgen Oneohtrix Point Never sowie Jon Hopkins gemeinsam mit Dinos Chapman.

In seiner zehnten Auflage wendet sich das donaufestival Arbeiten zu, die sehr eng mit zentralen globalen Themen wie der Beziehung Mensch-Natur, Ausbeutung, Ausgrenzung, Unterdrückung und Migration verbunden sind. Dries Verhoeven zeigt etwa verdrängte Bilder und Tabubrüche in einem Glasschaukasten in der Kremser Fußgängerzone. Und God's Entertainment stellt in einem echten Zoo Randgruppen aus.

Unter dem Titel "Ceci n'est pas... 10 Ausnahmen von der Regel" präsentiert Verhoeven in einer Glasvitrine in der Fußgängerzone von Festivalbeginn an (25. April) zehn Tage lang zeitgenössische Abweichungen von der Norm. Mit einer Art Tableaux Vivants, lebendigen Menschen in bewegten Szenen, erschafft er Bilder, die man in der Öffentlichkeit nicht vermuten würde. "Nicht die kommerziell geprägten Ideale von Glück, Schönheit und Erfolg stehen im Vordergrund, sondern Unvollkommenheit, Schwäche, Tabus und Ängste", heißt es in der Ankündigung. Erinnerungen an Vanitas-Stillleben sollen bei dieser Performance ebenso auftauchen wie jene an Freakshows, in denen vor noch nicht allzu langer Zeit Menschen, die von der Norm abwichen, ausgestellt wurden.

"Human Zoo"

Die Installation "Human Zoo" von God's Entertainment macht unterdessen Randgruppen sichtbar. Echte Menschen werden wie Tiere in Käfige gesteckt und zur Schau gestellt. Dabei bedient sich die Performance bewusst aller Klischees der Betrachter. Im "The Krems Project" untersucht Santiago Sierra mit Häftlingen der Justizanstalt Stein die kathartische Wirkung von Nahtoderfahrungen. Die Finanz-und Sinnkrise ist Ausgangspunkt bei Keith Hennessy, der in seiner Performance "Turbulence" einen Frontalangriff auf das wirtschaftlich-politische System startet, gleichzeitig aber ein utopisches Modell einer non-hierarchischen Gesellschaft zeichnet.

In eine ähnliche Richtung zielt das Projekt rund um Jeremy Wade "The Great Big Togetherness", in dem Künstler wie Liz Rosenfeld, Carlos Maria Romero & Guillaume Marie, Igor Koruga, AA Bronson, Johannes-Paul Raether, Keith Hennessy und Meg Stuart neue gesellschaftliche Politiken der Zusammengehörigkeit erproben wollen. Im Umfeld dieser queeren Welt wird Annie Sprinkle gemeinsam mit Beth Stephens eine neue Edition ihrer weltweit erprobten ökosexuellen Kunsthochzeiten feiern. Diesmal wird Erde, Schlamm und Schmutz geheiratet. Parallel dazu kreieren Emi Honda und Jordan McKenzie eine sich selbst erschaffende Mikro-Garten-Installation, die Natur und Technik verbindet.

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