Im Laufe der Jahrhunderte wuchs die Halde zu einem Hügel, der schließlich den Namen Monte Testaccio (lat. testa = „Scherbe“) bekam. Am höchsten Punkt des Hügels endeten die seit dem Mittelalter dort durchgeführten Karfreitagsumzüge – woran heute noch ein Kreuz erinnert.
***
Dass getöpferte Gefäße früher generell „Scherben“ genannt wurden (vgl. den wienerischen „Scherm“ als Bezeichnung für den Nachttopf), führt uns zur Herkunft der Redensart „Scherben bringen Glück“: Wer gefüllte Scherben besaß, hatte Glück – er besaß in Notzeiten genügend Essensvorräte und musste nicht hungern.
Eine andere Deutung des Sprichworts weist auf den Lärm hin, den zu Boden geworfenes Geschirr produziert – dadurch würden böse Geister vertrieben und stattdessen das Glück heraufbeschworen.
Möglicherweise leiten sich die glückbringenden Scherben aber auch von einer jüdischen Tradition ab: Der Bräutigam zertritt vor der Hochzeit ein Glas und ruft dabei „Viel Glück!“
***
Noch einmal zurück zu den antiken Scherben. Um 500 v. Chr. führten die Athener eine Maßnahme ein, die helfen sollte, missliebige Politiker loszuwerden: das Scherbengericht (griech. ostrakismós). Dieses Abstimmungsverfahren ermöglichte es dem Volk, missliebige Politiker für zehn Jahre des Landes zu verweisen. Voraussetzung: mindestens 6000 Stimmen, die auf Tonscherben (griech. óstraka) geschrieben wurden. Heute dürften manche unserer Politiker froh sein, dass diese Maßnahme mittlerweile außer Kraft gesetzt ist. Andernfalls hätten sie möglicherweise den Scherm auf.
***
Fundstück der Woche: „Karner will Messerverbot in Regierung durchsetzen“ (Schlagzeile in der Kronenzeitung).
Wenigstens das Tragen von Schusswaffen scheint den Ministern weiterhin erlaubt zu sein.
Wolfram Kautzky ist Philologe und geht gerne den Wörtern auf den Grund. Und das nun schon zum 103. Mal im KURIER.
Soeben ist im Seifert Verlag ein Buch zur beliebten Kolumne erschienen, in dem der Autor das Beste aus zwei Jahren „Wortklauberei“ destilliert hat. Insgesamt 50 Kolumnen über die vielen Fallstricke der deutschen Sprache sind in dieser humorvollen Blütenlese zusammengefasst, ergänzt um ein Vorwort von KURIER-Kulturredakteur und Debattenchef Peter Temel.
Einen Nachbericht zur Buchpräsentation, die am Montag in Wien stattfand, finden Sie hier:
Kommentare