Von Erben, Erbsen und Ex-Trinkern

Wolfram Kautzky geht in seiner Kolumne "Wortklauberei" den Wörtern auf den Grund.
Wolfram Kautzky

Wolfram Kautzky

Was halten Sie von der Schlagzeile „Die wohl älteste Frau der Welt ist tot“ (Bild-Zeitung)?

Bastian Sick, Oberdeutschlehrer unseres Nachbarlandes (Bestseller: „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“), hält Meldungen wie diese für inhaltlich falsch. Nicht, weil die Dame tatsächlich noch lebt (tatsächlich starb Johanna Mazibuko vergangenen März im Alter von 128 Jahren in Südafrika und hinterließ ungefähr 50 Enkel und Urenkel), sondern weil sie als Tote nicht mehr die älteste Frau sein könne. Korrekt hätte die Überschrift demnach lauten müssen: „Die älteste Frau der Welt ist gestorben.“

Uns Normalverbrauchern mögen sprachliche Spitzfindigkeiten wie diese entbehrlich erscheinen. Tatsache ist aber, dass unsere Muttersprache nicht gerade arm an Unlogik und Zweideutigkeiten ist. Schwebt jemand, der von einem Weißen Hai attackiert wird, in Lebens- oder in Todesgefahr? Ist eine Denkpause eine Pause für das Denken oder nicht doch vom Denken? Warum „liegt“ ein Brett auf dem Tisch, während die Brettljause ebendort „steht“? Wieso schreibt man Balletttänzer, Schutttransport und Fetttransplantation mit drei, Mittag aber nur mit zwei „t“? Warum gibt es Wörter, die zugleich ihr eigenes Gegenteil bedeuten können (wie z. B. „Ex-Trinker“)? Warum werden Gesetze im Nationalrat verabschiedet, aber häufig nicht begrüßt (zumindest nicht von allen)? Wieso kann man im Tennis auch beim Single Doppelfehler machen?

Fragen über Fragen, die jedenfalls eines beweisen, nämlich dass die deutsche Sprache mitunter rätselhaft ist. Ein Beispiel dafür ist auch die Bezeichnung für Personen, die einen Asylantrag stellen. Selbige werden in Deutschland „Asylbewerber“ genannt – nicht ohne Grund, denn sie bewerben sich eben um Asyl. Bei uns werden dieselben Personen mysteriöserweise als „Asylwerber“ bezeichnet. Eigentlich verwunderlich, dass sie angesichts dieser Bezeichnung nicht öfter im Werbefernsehen zu sehen sind.

Fundstück der Woche: „Erbeneintopf mit Schinken, 4,50 €“ (Angebot eines Imbissstandes in Berlin).

Pech für den Erben, der seine Erb(sen)schaft nicht antreten konnte, sondern im Topf landete.

Wolfram Kautzky ist Philologe und geht gerne den Wörtern auf den Grund.

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