Warum ich jetzt halt eine Kräuterwiese habe
Sommer auf dem Land. Es gibt nichts Schöneres. Morgens tänzelt der Mensch barfuß durch die taufrische Wiese zur Hängematte zwischen alten Apfelbäumen. In der Hand ein Buch, das aufgeschlagen auf seinem Bauch liegen wird, während er döst.
So weit zum Landleben, wie es in Hochglanzmagazinen steht.
Ich liege in der Hängematte. In der Hand ein Hochglanzmagazin. Darin Bilder, die definitiv nicht in meinem Garten aufgenommen wurden. Vorwurfsvoll schaue ich meine Wiese an. Wo blaue, gelbe und weiße Wiesenblumen wachsen sollten, wuchert der Wegerich. Hässlicher Spitz- und Breitwegerich. Er will ganz klar den ganzen Rasen erobern. Sauohr nennen Allgäuer das Unkraut. Zu Recht. Ich funkel ihn feindselig an. Er wiegt selig im Wind. Ich stelle ihm ein Ultimatum. Wenn er bis zum Abend nicht verschwindet, reiß’ ich ihn aus. Eigenhändig!
Von der Kriegserklärung erschöpft, sinke ich zurück in die Hängematte, schlaf’ ein. Als ich abends aufwache, ist er noch immer da. Jetzt reicht’s!
Ich habe ihn gewarnt. Rücke mit Spaten und Scheibtruhe aus. Reiße das Grünzeug aus. Bekomme Kreuzweh. In Hochglanzmagazinen hat nie jemand Kreuzweh, fluche ich am Boden kniend. Mittlerweile ist mir auch das Bein eingeschlafen, auf dem ich hocke. Ich mach’ trotzdem weiter. Wie in einem Blutrausch reiße ich weiter Wegerich für Wegerich aus. Morgen will ich ihn nicht mehr sehen.
Muss ich auch nicht. Tags darauf sitze ich nicht im Garten. Sondern beim Arzt, der mein Kreuz geradebiegt und das noch immer eingeschlafene Bein akupunktiert. „Jedes Jahr kommen Leut’ mit eingeschlafenen Haxen vom Jäten“, sagt er.
Ich gebe mich geschlagen. Soll er doch wuchern, der Wegerich. Er war die Heilpflanze 2014, so gesehen hab ich eine Kräuterwiese. Das Grünzeug hilft zur Wundheilung, bei Entzündungen in Mund und Rachen, lindert Hustenreiz. Haben schon die Kelten gewusst.
Sie haben sich allerdings auch bei Zahnweh die Wurzel dieses Krauts ins Ohr gesteckt. Als ableitendes Mittel.
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