Wahrheit, schmink dich!

Wahrheit,  schmink dich!
Klaus Eckel über seine Angst vor authentischen Menschen.

Jedes Mal wenn ich am Ende einer Geburtstagsrede den Satz höre „und bleib so, wie du bist!“, keimen in mir zwei Hoffnungen. Erstens, dass es der Gratulant nicht ernst meint und zweitens, dass es der Beglückwünschte nicht ernst nimmt. Diese Aufforderung ist oft eine Drohung. Heidi Klum und Wolfgang Fellner sind jeden Tag so, wie Sie sind. Und man könnte hinzufügen, leider. Meine größte Angst ist mittlerweile die vor authentischen Menschen. Ich hoffe zum Beispiel, dass bei den Wahlen in den USA der weniger Authentische gewinnt. Lieber langweilige Diplomatie, als vier weitere Jahre ADHS im Endstadium.

Natürlich muss man Donald Trump zugutehalten, dass er seinen Bürgern ein wichtiges Gefühl zurückgegeben hat. In Amerika kann wirklich jeder was werden. Ein bedeutender Unterschied des Menschen vom Tier ist doch gerade, dass er nicht authentisch ist. Wenn ein Labrador gekrault werden möchte, legt er sich auf den Rücken, präsentiert seinen behaarten Bauch und sabbert hoffend sein Weibchen an. Immer wenn ich mein Bedürfnis nach Zärtlichkeit ähnlich dargeboten habe, wurde es mit einem „du Schwein“ goutiert. Dabei war ich nur authentisch. Authentische Kinder müssten dauerstrapazierte Erwachsenen-Floskeln wie „Bist du aber groß geworden“ häufig mit „Bist du aber schiach geworden“ beantworten. Das Leben lehrt Sie jedoch, dass eine authentische Antwort zum Entzug von zwei Dingen führt: Taschengeld und WLAN-Code.

Man ist im Leben vieles. Partner, Elternteil, Kollege, Schachpartner. In welcher Rolle ist man überhaupt der Authentische? Und die gilt es zu trennen. Stellen Sie sich vor, Karl Nehammer verwechselt während der Pressekonferenz die Rolle des Innenministers mit der des Vaters und fordert von uns: „Haube aufsetzen, Karotten essen, Licht abdrehen.“ Aber wer weiß, was noch kommt.

Kommentare