Vom Klammern an den letzten Strohhalm

Ich bin überzeugt, dass jeder zweite Fleece-Pulli in seinem früheren Leben einmal bei mir in der Küche war.
Simone Hoepke

Simone Hoepke

Meine Küche kann man sich vorstellen wie den Ozean. Weniger von der Weite, mehr vom Inhalt. Zugemüllt mit Plastik. Jedes Mal, wenn ich vom Lebensmitteleinkauf nach Hause komme, dasselbe Bild: Berge von Plastikverpackungen. Ich bin überzeugt, dass jeder zweite Fleece-Pulli auf der Welt in seinem früheren Leben schon einmal bei mir in der Küche war. Als Plastikpackung, die dank meiner Mülltrennung zu einem Kunststoffgranulat recycelt wurde, aus dem dann irgendwer auf der Welt einen Pulli gestrickt hat.

Himbeeren, Zwetschgen, Schoko – alles kommt in der Plastikpackung daher. Selbst Bio-Äpfel. Je länger ich auspacke, desto größer wird der Müllberg, desto ungesünder mein Blutdruck.

Ich lege den Schinken in den Kühlschrank, beginne innerlich zu kochen. Aus Wut auf mich selbst. Schon wieder habe ich den in Plastik eingeschweißten Schinken gekauft. Aus Bequemlichkeit, weil bei der Wursttheke so viele Menschen gestanden sind. Also genau genommen eine Dame. Aber sie hat einen Einkaufswagen vor sich hergeschoben. Ein Indiz für einen Großeinkauf. Gut möglich, dass sie von jeder einzelnen Wurstsorte zehn Deka haben wollte und noch morgen die Wursttheke blockiert.

Armes Schwein. Also jetzt das Tier, das als 10 Deka Schinken bei mir im Kühlschrank liegt. Eingeschweißt in Plastik. Ein einziger Hohn. Der Brennwert der Kunststoffpackung ist höher als jener des Schinkens, hat mir neulich ein Fleischer vorgerechnet. Eigentlich eine Sauerei, fand ich dann auch.

Zur Rettung des Abends trinke ich einen Aperol-Spritz. Natürlich ohne Plastiktrinkhalm. Ich hab noch nie verstanden, für was der gut sein soll. Gerade bei kohlesäurehalten Getränken fliegt der Halm sowieso binnen Sekunden aus dem Glas. 36 Milliarden Trinkhalme werden jedes Jahr in der EU völlig unnötig mit einem Drink serviert und etwa eine halbe Stunde später entsorgt. Die EU will die Trinkhalme jetzt verbieten. Mir nur recht.

Ich schätze, dem Jungunternehmer auch, der kürzlich noch belächelt wurde. Weil er Bio-Trinkhalme aus echten Stroh auf den Markt gebracht hat.simone.hoepke

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