Gemeint sind diejenigen, die, meist anonym bleibend, für Schlagzeilen wie „Kritik an Neymars Wechsel nach Saudi Arabien“ (ORF.at), „Kritik an Bradley Cooper wegen Nasenprothese“ (Die Presse) oder „Transfrau knackt Gewichthebe-Rekord – und erntet Kritik“ (Heute) sorgen. Das Anforderungsprofil für Kritiker ist ja minimal: Man muss nur grundsätzlich anderer Meinung sein und das dem anderen auf mehr oder weniger freundliche Weise ausrichten können.
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Das seit dem 17. Jahrhundert bezeugte Substantiv Kritik hat altgriechische Wurzeln: Die kritiké téchne ist die Kunst der Beurteilung, der kritikós der kritische Beurteiler. Dieselbe Wortwurzel haben im Übrigen auch die Fremdwörter Kriterium („entscheidendes Merkmal“) und Krise. Letzterer Begriff wurde ursprünglich als medizinischer Terminus verwendet (Zeitpunkt der Entscheidung, in dem sich die Dinge zum Guten oder Schlechten entwickeln können) und ging später im Sinne von „entscheidende Situation“ in den allgemeinen Sprachgebrauch über.
Was lernen wir daraus? Kritik hat zwar griechische Wurzeln, ist aber für viele Nörgler trotzdem kein Fremdwort.
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Oft ist in den Medien zurzeit von clamorosen Fällen zu lesen. Das sind Justiz-Causen, bei denen ein breites öffentliches Interesse zu vermuten ist, besonders weil hochrangige Politiker darin verstrickt sind. Lateinisch clamare bedeutet „rufen, schreien“ (vgl. die Re-klame bzw. re-klamieren) – clamorose Fälle schreien also nach Aufklärung. Der zweite Wortbestandteil, die Nachsilbe -os (bzw. -ös), drückt oft eine Fülle aus: dubios = reich an Zweifel, glorios = reich an Ruhm, muskulös = reich an Muskeln (etc.).
Kurios ist übrigens die in ein paar Monaten wieder häufiger zu hörende Verkehrsmeldung „Dichter Nebel im Semmering-Wechsel-Gebiet“ – haben Sie jemals von einem Poeten dieses nebulosen Namens gehört?
Wolfram Kautzky ist Philologe und geht gerne den Wörtern auf den Grund.
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