Skepsis trifft Misstrauen

Klaus Eckel
Klaus Eckel über die österreichische Besonderheit, selbst Komplimente negativ zu formulieren.

Vor Kurzem traf ich mich mit einem alten Schulfreund in einem neuen Eissalon. Während er gierig die erste Kugel in seinen Mund schaufelte, sagte er: „Das schmeckt ned schlecht“. Ich fragte nach: „Warum sagst du nicht, das Eis schmeckt gut?“. Er überhörte meine Frage und schaute sich um. „Der Laden ist ned schirch“. Ich: „Warum sagst du nicht, der Laden ist schön?“. Er schwieg. Ich versuchte, das Gespräch wieder anzukurbeln. „Stimmt’s, ich geh Dir mit meinen Fragen ned nicht auf die Nerven?“. Der alte Schulfreund nickte. Eine der österreichischen Besonderheiten ist, sogar Komplimente negativ zu formulieren. „Der ist ned deppad“ ist in Österreich die Bezeichnung für ein Genie. Leider bleibt im Gehirn langfristig nur der Begriff „deppad“ hängen. Aufgrund dieser kognitiven Verzerrung sollte man sich als Kabarettist die Nachrede „Der ist ned lustig“ wünschen.

Unserem Land kann man viel vorwerfen, aber sicher keine Begeisterungsintoleranz. Vor einigen Wochen bat mich per Mail der Besitzer eines niederösterreichischen Wirtshauses um eine negative Google-Bewertung. Er meinte, seitdem er fünf Sterne hat, kommen um 30 Prozent weniger Gäste. Der virtuellen Euphorie wurde gleich ein analoges „Na, so guad kan des ned sein“ entgegengehalten.

Der Optimismus und die österreichische Lebenseinstellung bleiben zwei Parallelen, die sich nicht einmal in der Unendlichkeit schneiden. Immerhin konnte ich jetzt gemeinsam mit anderen Stammgästen das Wirtshaus-Rating wieder auf 3,5 Sterne hinunterdrücken. Wir tippten unermüdlich Bewertungen wie: „Beklemmend freundlich“ und „Zander schmeckt nach Fisch“. Der Wirtshausbesitzer schrieb mir heute Morgen erneut: „Tausend Dank! Am Wochenende war ich wieder voll! Die Aktion war also ned sinnlos.“

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