Auf dem Prüfstand: René Freund muss Oberösterreichisch sprechen
In diesem wunderschönen Herbst war ich einige Male eingeladen, in Büchereien oder Kulturvereinslokalen Lesungen zu halten. Keine einzige davon fand in Wien statt. Ich denke, dass meine Weltberühmtheit sich auf das geografische Dreieck Vöcklabruck-Scheibbs-Gallneukirchen beschränkt. Aber das soll keine Beschwerde sein – die Vorteile von Lesungen in kleinen Orten sind mannigfach: Die Veranstaltungen sind meist liebevoll organisiert, sehr gut besucht und fast immer von einem exorbitanten Buffet umrahmt.
Spätestens nach der Lesung fließen Bier, Most und Wein in Strömen, und die Tische biegen sich unter Bauernspeck, Käseplatten und Aufstrichen, zu welchen – jedenfalls in Oberösterreich – immer der Kartoffelkäse vulgo „Erdöpfikas“ gehört. Im Gegensatz zur Leber im Leberkäse enthält Erdäpfelkäse immerhin Erdäpfel. Der Käse im Namen soll wahrscheinlich tröstlich wirken, denn wer schmiert sich schon gerne Kartoffeln aufs Brot?
Nicht integriert
Mein kleines satirisches Programm – gespickt übrigens mit KURIER-Kolumnen – handelt von einem nicht integrierten Inländer. Einem geborenen Wiener, der in der tiefen ländlichen Provinz lebt, die Sprache der Eingeborenen bis heute nicht beherrscht und immer wieder in Verdacht gerät, hochmütig zu sein, weil er nach der Schrift redet.
Bei diesem nicht integrierten Inländer handelt es sich – unschwer zu erkennen – um mich. Tatsächlich schlage ich mich seit Jahrzehnten mit der Vielfalt rustikaler Dialekte herum, aber ich habe noch immer nicht verstanden, warum man in Oberösterreich statt zwei immer zwoa sagt, aber nicht droa, sondern drei.
Nach der Lesung kommen die Menschen fröhlich auf mich zu und erzählen mir, es wäre ihnen noch nie aufgefallen, dass Begriffe wie umikema, dadirren, zwa zweng oder in d’Haut ei gnua rein klanglich nur ganz entfernt mit der deutschen Sprache zu tun haben.
Umi, uma oder so
Oft werden mir auch neue Wörter beigebracht oder ich bekomme Prüfungsfragen gestellt. Hierbei profitiere ich natürlich enorm von Frau Freund, die eine native Speakerin ist, ihre Fähigkeiten aber gottlob im täglichen Leben erfolgreich verbirgt, denn Dialekte klingen ehrlich gesagt nicht immer nur gut.
Meine bislang letzte Aufgabe bestand zum allgemeinen Gaudium darin, den Satz „gib mir einen Löffel Kartoffelkäse herüber“ im Dialekt zu sprechen. „Gib ma an Löffi Erdöpfikas umi“, sagte ich und war ziemlich stolz auf mich, bis ich die verdrehten Augen und schüttelnden Köpfe rund um mich bemerke.
Die Aussprache, dozierte Frau Freund, wäre halbwegs in Ordnung gewesen, aber ich hätte natürlich „uma“ sagen müssen und nicht „umi“, mit diesen drei Buchstaben hätte ich zum Schluss alles verdorben. Immerhin, der Kartoffel-Aufstrich war es nicht. Er schmeckte ganz vorzüglich, und mit eurem umi und uma könnt ihr mir wirklich den Buckel … owa oder owi, das ist mir auch wurscht!
René Freund lebt als Schriftsteller im südlichen Oberösterreich. Alle Informationen und Termine unter www.renefreund.com.
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