Liebe Frau K., das Verhalten Ihres ehemaligen Arbeitskollegen klingt bereits nach Stalking. Darunter versteht man das beharrliche Verfolgen eines anderen, das ein Ausmaß erreicht, das dazu führt, dass die verfolgte Person in ihrer Lebensführung unzumutbar beeinträchtigt wird.
Stalking kommt in unterschiedlichen Formen vor. Dazu gehört das Suchen räumlicher Nähe oder die wiederholte Kontaktaufnahme, wozu sowohl die vielen Anrufe als auch die Liebesbriefe zählen. Auch dass Ihre Freundinnen belästigt werden, fällt darunter. Zusätzlich kann Stalking auch erfüllt sein, wenn wiederholt Waren oder Dienstleistungen unter Verwendung Ihrer personenbezogenen Daten bestellt werden, wie es bei den Büchern der Fall ist. Letztlich könnte Stalking auch durch die Veranlassung Dritter zur Kontaktaufnahme, zum Beispiel durch das Schalten von Kontaktanzeigen, und durch die Veröffentlichung von Geschichten oder Bildern aus Ihrem persönlichen Lebensbereich erfüllt sein.
Damit ein Verhalten unter Stalking fällt, muss die Verfolgung einerseits beharrlich sein und andererseits eine gewisse Intensität erreichen. Beharrlichkeit erfordert wiederholtes Handeln über einen längeren Zeitraum. Es gibt hier keine absolute Grenze. Anzahl und Dauer der Kontaktaufnahmen, sowie die zwischen den Handlungen liegende Zeitabstände werden insgesamt betrachtet und dann im Einzelfall beurteilt.
Das Verhalten des Stalkers muss auch objektiv geeignet sein, Sie in Ihrer Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen. Dabei geht es insbesondere um eine psychische Belastung. Ist das Verhalten geeignet, dass sich das Opfer nicht mehr traut, das Telefon abzuheben, alleine die Wohnung zu verlassen oder sich womöglich sogar zu einem Wohnsitz- oder Arbeitsplatzwechsel gezwungen sieht, dann ist die strafbare Intensität jedenfalls erreicht.
Ich rate Ihnen, Beweismaterial zu den Kontaktaufnahmen zu sammeln, den Täter zu ignorieren und sich beraten zu lassen. Dazu gibt es unterschiedliche Gewaltschutzeinrichtungen, wie die Frauenhelpline gegen Gewalt (0800 222 555) sowie Gewaltschutzzentren und Interventionsstellen.
Unabhängig von einer Anzeige bei der Polizei empfehle ich Ihnen, eine einstweilige Verfügung gemäß §382d EO zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre zu erwirken. Zuständig für die Erlassung der Einstweiligen Verfügung ist das Bezirksgericht Ihres Wohnortes. Anhand der bisherigen Handlungen und einer Zukunftsprognose werden dem Stalker dann gewisse Verbote auferlegt, wie etwa das Verbot der Kontaktaufnahme oder das Verbot sich an bestimmten Orten aufzuhalten. Die Einstweilige Verfügung kann für ein Jahr befristet erlassen werden.
eMail: rechtpraktisch@kurier.at
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