Recht praktisch: Darf die Schule Kinder vorzeitig entlassen?

Recht praktisch: Darf die Schule Kinder vorzeitig entlassen?
Rechtsanwältin Dr. Maria In der Maur-Koenne beantwortet juristische Fragen zu praktischen Fällen aus dem großen Reich des Rechts.
Maria  In der Maur-Koenne

Maria In der Maur-Koenne

Darf ein Bundesgymnasium minderjährige Schüler ohne vorherige Information an die Eltern vorzeitig entlassen? In der zweiten Klasse passiert das bereits zum wiederholten Mal. Nun wurde ich auch noch aufgefordert, im Nachhinein zu unterschreiben, dass mein elfjähriger Sohn heute drei Stunden früher entlassen werden durfte. Muss ich als Mutter dulden, dass ich nicht weiß, ob mein Kind gerade in der Schule beaufsichtigt ist oder nicht?

Eva Sch., Wien

Liebe Frau Sch., Lehrer haben entsprechend der jeweiligen Diensteinteilung Schüler in der Schule ab 15 Minuten vor Beginn des Unterrichts, während des Unterrichts und in den Unterrichtspausen, sowie unmittelbar nach Beendigung des Unterrichts beim Verlassen der Schule zu beaufsichtigen. Ebenso besteht eine Aufsichtspflicht bei allen Schulveranstaltungen und schulbezogenen Veranstaltungen, die ja nun wieder möglich sind, innerhalb und außerhalb des Schulhauses.

Ausgenommen von der Beaufsichtigungspflicht ist die Zeit zwischen dem Vormittags- und dem Nachmittagsunterricht.

Die Beaufsichtigung ist je nach Alter und der geistigen Reife der Schüler zu gestalten. So sind Volksschulkinder strenger zu beaufsichtigen, als ältere Schüler.

Eine Beaufsichtigung darf nur für Schüler ab der 9. Schulstufe entfallen, wenn sie im Hinblick auf die körperliche und geistige Reife der Schüler entbehrlich ist. Ab der 9. Schulstufe, sohin im Falle Ihres Sohnes erst ab der 5. Klasse Gymnasium, hat ein Lehrer nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, ob für die Schüler die Beaufsichtigung entfallen kann. So kann es auch in diesem Alter noch notwendig sein, die Schüler zu beaufsichtigen, wenn etwa eine Schulveranstaltung an einem Ort stattfindet, den die Schüler nicht kennen oder die Veranstaltung eine besonders gefährliche Situation darstellt. Selbst die Volljährigkeit von Schülern entbindet Lehrer nicht automatisch von ihrer Aufsichtspflicht.

Wenn Schulveranstaltungen an einem anderen Ort als der Schule stattfinden, so sind die Schüler unter Aufsicht an diesen Ort zu begleiten. Auch hier gilt, dass die Aufsicht ab der 9. Schulstufe entfallen kann, wenn der Lehrer den Eindruck hat, dass die Schüler bereits reif genug sind. In diesem Fall ist es auch in Ordnung, wenn Lehrer Schüler ohne Aufsicht nach der Veranstaltung entlassen und diese alleine nachhause fahren. Findet eine schulbezogene Veranstaltung an einem anderen Ort als der Schule in der ersten Unterrichtsstunde statt, so kann, wenn dies zweckmäßig und den Erziehungsberechtigten zumutbar erscheint, auch ein anderer Treffpunkt als die Schule bestimmt werden. Davon sind die Eltern natürlich rechtzeitig zu verständigen, um für eine sichere Anreise sorgen zu können.

Für Ihren erst elfjährigen Sohn heißt das daher, dass seine Lehrer jedenfalls eine Aufsichtspflicht ab 15 Minuten vor Unterrichtsbeginn und bis zum stundenplanmäßigen Ende des Unterrichts trifft. Wenn der Entfall von Unterrichtsstunden vom Schulleiter angeordnet werden muss, so hat er für die Beaufsichtigung der Schüler bis zum stundenplanmäßigen Unterrichtsende zu sorgen und darf Ihren erst elfjährigen Sohn nicht ohne Sie vorher darüber zu informieren, einfach drei Stunden früher entlassen.

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