Paaradox: Überraschung!

Paaradox: Überraschung!
Mit den gemeinsamen Jahren kann der eine im anderen wie in einem Buch lesen. Ob alles so kommt, wie vermutet, bleibt trotzdem offen. Gott sei Dank.

SIE

Manchmal liegt etwas in der Luft, das nur am Rande mit Liebe zu tun hat. Ein komischer Gedanke, eine dumme Idee, ein absurder Vorschlag. Doch weil ich den Mann nebenan schon ein bisserl länger kenne, weiß ich, wann ich auf der Hut sein muss. Etwa, wenn er zehn Minuten lang ein gefühlt 350 m² großes Loch in die Luft starrt, sich mit der Hand durch die nicht vorhandenen Haare fährt, Luft holt und „Du“ sagt. Ein Du, in dem eher keine Sehnsucht mitschwingt. Und dann die Körpersprache! Dieser Blick, entschlossen treuherzig, die tiefe Bauch- und Brustatmung, mit gleichzeitig fahrigen Bewegungen und ausgeprägtem Sesselwetzen. Oha.

Liebling ...

Dann schaue ich ihn an, lese in ihm wie in Krieg und Frieden, und weiß, da kommt was. Aber was? Wird er mir beizubringen versuchen, dass er die nächsten sieben Wochenenden gerne durch Nonstop-Abwesenheit glänzen würde, um den „Spätherbst“ auszunützen und seiner Lieblingssportart nachzugehen – von 6 Uhr früh bis zur Dämmerung? Dass er, im Zuge seines aufflackernden Helfersyndroms, meinen preislich eher ungünstigen Lieblingspulli mit 60 Grad gewaschen hat, gemeinsam mit den Putzfetzen – Motto: Liebling, ich habe den Pulli geschrumpft? Dass er sich zum heurigen 50er eine Spielkonsole gönnen wird, um sich künftig bei „Warcraft & Co“ für immer jung zu spielen? Aber vielleicht liege ich ja völlig daneben und es kommt nach dem schicksalsschwangeren „Du“ ganz was anderes: Nämlich ein Ich geh jetzt einkaufen, darf ich dir einen Strauß Blumen oder Bio-Zucchini mitbringen? oder Kannst du mir ein paar von deinen großartigen Yoga-Übungen beibringen? Dann würde ich glatt sagen: Ja! Ja! Ja! Und mich darüber freuen, dass mich der Mann nebenan noch immer überraschen kann.

Termine: Stadtgalerie Mödling; 16. 10. Locationänderung: Statt Stalltheater Königstetten, Florahof, Langenlebarn; 24. 10. Rabenhof; 6.11. Hagenbrunn

gabriele.kuhn / facebook.com/GabrieleKuhn60

ER

Meine Frau denkt  gerne über scheinbar Unbedeutendes nach. Auch  länger, wenn sie auf jede Form der Work-Keif-Balance pfeift. Da kann es vorkommen, dass ein vor mich hin gemurmeltes „Du“ bei ihr Interpretationsreflexe auslöst, die sich niemand vorstellen kann. Nicht einmal ich – das heißt was. Immerhin bin ich mit der Grüblerin schon ein Zeiterl verheiratet. Tatsache ist, dass manchem „Du“ trotz inadäquater Mimik und Gestik am Ende meistens nur Banales folgt, wie Weißt du, wo die Fernsteuerung ist? Oder Ich hol’ mir jetzt ein Bier. Oder überhaupt nur: Schön isses heute. Da ist ihr Schweigen schon viel rätselhafter.

Verwunschene Welt

Ich werde nämlich immer stutzig, wenn es trotz ihrer Anwesenheit still wird. Wenn sie also nicht einmal mit unserem Hundefreund Gustav spricht und sich wundert, warum er wesentliche Fragen wie Hat der Bub heute ein schönes Laufi gemacht? oder Warum legst du mir schon wieder dein Puppi vor die Füße? unbeantwortet lässt. Wenn ich gnä Kuhn nicht höre, und sie weder auf der Yoga-Matte ihr Über-Ich dehnt, Nacktschnecken aus Kräutertöpfen kletzelt oder im Kochbuch „Das große Buchweizen-Glück“ schmökert, dann ist klar: Sie brütet etwas aus. Und das bedeutet immer: Obacht, Hufnagl! Weil fix davon auszugehen ist, dass sie bei einem abendlichen Achterl aus ihrer verwunschenen Welt zurückkehrt, um Lebenssinn-Schätze zu heben. Gerne auch begleitet von Weisheiten wie Wenn ein Drache steigen will, muss er gegen den Wind fliegen oder Mit der Zeit wird die Zeit immer wichtiger. Dann krame ich intuitiv in meinem Standardrepertoire (Das sollten wir morgen in aller Ruhe besprechen, bzw. übermorgen, bzw. nie), um plötzlich ganz beglückt zu vernehmen: „Ich habe mir überlegt, wie du zu mehr Sport kommen könntest.“ Und wieder einmal zu erkennen: wunderbare Frau. Ohne davon überrascht zu sein.

Solo: „Abend mit einem Mannsbild“: 17. 10. CasaNova Wien (Matinee, 11 Uhr)

michael.hufnagl / facebook.com/michael.hufnagl9

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