Paaradox: Fußball ade ...

"Paaradox": ... Schlusspfiff tut weh. Das Ende einer WM sorgt für Melancholie und Erleichterung.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Michael Hufnagl

Michael Hufnagl

SIE

Brexit  hin,  Brexit her – der  ist eine Kinderjause gegen das, was sich bei uns daheim ab morgen abspielen wird. Bitter, sehr bitter. Denn ab Montag muss der Mann nebenan seine persönliche Exitstrategie finden– Baba, Fußballweltmeisterschaft. Donald Duck würde an dieser Stelle vielleicht sagen: ächz, würg, schluchz. Ähnliches gilt  für mich. Weil ich weiß, was nun kommen wird: die große Leere. Leerer Bildschirm, leeres Abendprogramm, leere Flaschen, leere Snackpackungen und dieser sinnentleerte Blick, der mit jedem Wimpernschlag signalisiert: Was bitte soll ich jetzt tun? Wohin mit meinen Gefühlen? Wieso ist es schon aus?   Verbunden mit der Frage: Schatzi, können wir ganz schnell ein paar Leute zum Siedler-von-Catan-Spielen einladen oder zum Halma? Hauptsache, er kann sich mit irgendwas ablenken.  Denn der Abschiedsschmerz  wird ein großer sein.

Entzugserscheinungen

Offenbar machen solche Veranstaltungen etwas mit seinem Hirn, verändern das Lustzentrum und jenes, das sich mit sich selbst beschäftigen kann. Oder mit mir. Denn rein theoretisch könnte er tatsächlich auch sagen: So. Jetzt aber du, mein Schatz. Endlich wieder! Wohin gehen wir essen, einkaufen, uns zu zweit vergnügen? Stattdessen hockt er Nägel kauend in einer verdunkelten Ecke der Wohnung, zupft an diversen Fanschals und überlegt die Anschaffung eines Wuzlers oder die Gründung einer Selbsthilfegruppe für Menschen mit Fußballweltmeisterschafts-Entzugserscheinungen. Motto: „Wir halten uns nun alle an den Händen und  entlassen in Demut und Dankbarkeit die Weltmeisterschaft an die Weite des  Universums“.  Daher, bitteschön,  hätte ich eine kurze Frage: Wann genau fängt das nächste Turnier  an? Und kann man so eine WM vielleicht irgendwo im Internet bestellen?

gabriele.kuhn@kurier.at

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ER

Klar fällt so ein Abschied schwer. Der Trennungsschmerz am Ende großer Fußballturniere ist Teil der Magie. So haben mir in den letzten Wochen sämtliche Menschen aus meinem Lebensraum  die Frage aller Fragen gestellt: „Und, wer wird Weltmeister?“ Um dann jene (profund analytischen) Prognosen zu hören, die von Spiel zu Spiel mit erstaunlicher Zuverlässigkeit vor allem eines waren: falsch. Ich kann mich nicht erinnern, jemals so viele Garantieerklärungen abgegeben zu haben, die sich schlagartig als Irrtümer herausstellen sollten. Und ich gestehe abseits meiner verhöhnten Expertisen, dass im Zuge dieser WM kaum etwas so geschah, wie ich es mir in den kühnen Fantasien meiner Wuchtelwelt gewünscht hätte.

Showdown

Aber haben mich tatsächlich alle um einen Triumph-Tipp gebeten? Natürlich nicht. Denn es gab eine (mir durchaus nahe stehende) Frau, die seit 14. Juni mit zwei völlig anderen Fußballfragen das Auslangen fand. 1. „Ist heute wieder Match?“ 2. „Ist das wichtig?“ Nur einmal vergaß gnä Kuhn gedankenverloren darauf und sagte etwa zehn Minuten vor dem Anpfiff zum Halbfinalhit FrankreichBelgien zu mir: „Die Gundi hat ein Riesenproblem mit dem Emil, ziemlich kompliziert, und ich würde gerne deine Einschätzung dazu hören.“ Darauf ich: „Jetzt?“ Und sie: „Klar, es ist dringend.“ Ich: „Äh. Du. Hm.“ Sie: „Was?“ Ich: „Duell der Giganten.“ Sie: „Ich hab’ geglaubt, heute is’ nix.“ Ich weiß nicht, in welchem News-Vakuum sich die Liebste zuletzt herumgetrieben hat, um ausgerechnet in der Showdown-Phase ein „nix“ zu orten, aber so ein Finale sorgt nach einem Monat kommunikativer Defizite definitiv für eheliche Entspannung. Ich tippe heute übrigens auf ein 2:0 für Frankreich. Und darauf, dass die Gundi den Emil auch ohne meinen Rat längst wieder lieb hat.

michael.hufnagl@kurier.at

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