Scheidung vom Tod

Zum 150erdes Zentralfriedhofs: Die Liebe zum Tod ist selbst in Wien abgekühlt.
Georg Leyrer

Georg Leyrer

Schnitzel, Sisi, klassische Musik und der Tod – und das Wien-Klischee ist komplett. Das grantig-wohlwollende Liebäugeln mit der Sterblichkeit ist eine Marotte, auf die die Stadt immer schon stolz war.

Verständlich. Denn Todesmut braucht man in Wien allein schon, wenn man einen Kaffeehauskellner um ein Glas Leitungswasser bittet. 

Kein Wunder also, dass man sich einen riesigen Friedhof baute, kein Wunder auch angesichts der heimischen Halbherzigkeit, dass er trotzdem nur der zweitgrößte Europas wurde.

150 Jahre alt wird der Zentralfriedhof heuer. Selbst beim Begrabenwerden gibt es eine Krise: Es werden dort mehr Gräber aufgelassen als neu ausgehoben. Nicht, weil die Leute nicht sterben. Sondern weil beim Begräbnis der Trend ist, mit Wald- und ähnlichen Bestattungen ans Leben anzudocken. Es gibt selbst in Wien zwar vielleicht noch keine Scheidung, aber eine Entfremdung vom Tod. Zu recht: Es wird überall viel zu viel gestorben.

Kommentare