Lieber Blüten an der Wand, als einen Chip in der Hand
Wer sich in Wien aufregt, dass er kein Taxi bekommt, war noch nie in Peking. Am Straßenrand gilt das Gesetz des Stärkeren. Das muss man lernen. Haben wir.
Gefühlt den ganzen Abend verbringen wir winkend am Straßenrand, bis uns endlich ein Taxi mitnimmt. Der Fahrer wirkt wie ein kleiner Gauner, der uns ein paar hundert Kilometer im Kreis kutschieren und letztlich auf der gegenüberliegenden Straßenseite aussteigen lassen wird. Gegen Bezahlung eines Vermögens. Wir reagieren geistesgegenwärtig. Verlangen einen Fixpreis.
Er willigt ein, fordert Bares. Haben wir. Jetzt mutiert er zu einem chinesischen Monk. Er nörgelt an unseren Moneten herum. Zu zerknittert, dreckig, eingerissen. Er will schönere Scheine. Wir sind die ganze Fahrt damit beschäftigt, Scheine mit ihm hin- und her zu tauschen.
Der Kellner in der Hotelbar amüsiert sich köstlich über die Geschichte. Sagt, wir sollen mit Karte zahlen, weil der Taxler unsere Moneten sicher gegen Blüten ausgetauscht hat. Die Rezeptionistin bestätigt: Wir können das Geld an die Wand nageln. Als Tapete. Schöne Urlaubserinnerung, aber nix wert.
Nun verstehe ich, warum Chinesen lieber mit dem Handy bezahlen. Hat Vorteile. Aber die Abhängigkeit von der Technik mag ich nicht. Deswegen mach’ ich auch um das öffentliche WC beim Himmelstempel einen großen Bogen. Hab’ gelesen, dass man dort einen Gesichtsscan machen muss, um Klopapier zu bekommen. Eine Maßnahme der Stadt gegen Klopapierdiebe. Unmenschlich, find’ ich.
Monate später in Bonn. In der Zentrale der Deutschen Telekom erklärt ein Mitarbeiter des sogenannten Future Labs, wie wir künftig leben könnten. Mit implantiertem Chip in der Hand zum Beispiel. Er hat sich schon einen einsetzen lassen, so groß wie ein Reiskorn. Der Chip öffnet ihm die Wohnungstür, schaltet automatisch die Heizung und die Musik ein, dimmt das Licht. Willkommen in der Zukunft. Er ist begeistert, ich entsetzt.
Ich bleibe lieber in meiner alten Welt. Ohne Chip und Gesichtsscan, aber mit ein paar schönen Blüten an der Wand.
Kommentare