Langeweile fördert die Kreativität

Wenn das stimmt, treffe ich künftig mehr stinkfade Selbstdarsteller und suche mir neue Hobbies.
Simone Hoepke

Simone Hoepke

Sissi ist halb so alt wie Batman. Am Wochenende feiert sie ihren 40er.

Das ist insofern ein Problem, als wir noch kein Geschenk haben. Gutscheine, Bücher oder ein Batmobil fallen aus. Ich schlage vor, wir lassen eine Büste von ihr anfertigen. Dafür braucht man heutzutage keinen Steinmetz mehr, den Job macht ein 3-D-Drucker. Der Vorschlag wird abgelehnt.

Damit bleibt das Problem ungelöst. Wir brauchen eine Idee. Ich google. Find’ nix. Ich zermartere mir das Gehirn. Ohne Erfolg.

Ich fahre zu einem Familienessen. Setze mich neben die angeheiratete Tante, die ohne Punkt und Beistrich redet. Sage stundenlang kein Wort, weil ich sie nicht unterbrechen will. Ich vermute, sie war im vorigen Leben ein nordaustralischer Aborigines. Bei uns sind sie fürs Didgeridoospielen bekannt. Ein Blasinstrument, bei dem die Zirkularatmung von Vorteil ist. Die Tante redet seit gefühlt 60 Jahren ohne Luft zu holen. Beeindruckend. Leider hat sie noch keinen einzigen interessanten Satz gesagt. Vielleicht ist er auch nur im Wortschwall untergegangen. Ich erwäge, ein Fußbad unter den Tisch zu stellen, um die Zeit einigermaßen sinnvoll zu nutzen.

Noch immer kein Geschenk.

Am Heimweg der Geistesblitz – er kommt direkt aus dem Autoradio. Ein Experte gibt Tipps in Sachen Kreativität. Man soll sich verhalten wie die alten Römer kurz vor Untergang ihres Reiches: dem „Dolce far niente“ frönen. Sich langweilen. Leider hat der Mensch genau das verlernt, seit ihm Steve Jobs das Smartphone in die Hand gedrückt hat.

Dankbar für den Tipp, rufe ich einen Freund an. Er ist Fischer. Noch langweiliger als fischen ist nur zuschauen beim Fischen. In Gummistiefeln steh’ ich am Ufer. Schaue stundenlang zu, wie nix passiert. Kein Einfall.

In meiner Verzweiflung lade ich die Reinkarnation der australischen Didgeridoo-Spielerin zum Kaffee ein. Und tatsächlich, kaum schneit die Langweilerin bei der Tür rein, klingelt es bei mir.

WhatsApp von Sissi: „Keine Geschenke, bitte! Wer will, zahlt in meine Urlaubskasse ein.“

Hätte sie auch früher sagen können.

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