Johannas Fest: Der Geschmack der Kindheit

Von einem Marktbesuch komme ich derzeit nicht ohne Spargel – ob weiß oder grün – heim.
Johanna Zugmann

Johanna Zugmann

Klar, dass wir unserem Stammwirten vergangene Woche schon einen Wiederantrittsbesuch abgestattet haben. Aber irgendwie hat sich auch das „Wir-kochen-täglich-selbst-Gen“ in acht Wochen verfestigt.

Vielleicht auch deshalb, weil gerade Frühjahr ist, meine liebste Jahreszeit übrigens. Sie beschert uns eine überreiche kulinarische Vielfalt; ein Garten Eden für all jene, die Wert darauf legen, regionale und saisonale Zutaten einzukaufen und geduldig auf die aromatischen Spargel, die süßen Erdbeeren und die knackigen Paradeiser heimischer Provenienz gewartet haben.

In meiner Kindheit gab es im Mai und Juni oft Spargel. Nicht die noblen Vertreter der Marke Solo aus dem Marchfeld, sondern die weitaus billigeren dünnen Stangen. In froher Erwartung der bevorstehenden Gaumenfreuden schälten wir – meine fünf Geschwister und ich – sie ebenso gerne, wie wir die frischen Erbsen auslösten.

Von einem Marktbesuch komme ich derzeit nicht ohne Spargel – ob weiß oder grün – heim. Ich kann auch nicht vorbei an den frischen Erbsen, den Fisolen, dem Rhabarber und den Erdbeeren.

Mit dem Einkauf kehre ich zurück zum Geschmack meiner Kindheit. Und dann gibt es ja auch noch Delikatessen zum Nulltarif: Wildkräuter etwa, oder die Hollerblüten, aus denen man herrlichen Sirup machen kann, oder gebacken und mit Staubzucker überpudert ein Dessert.

Geschenke der Natur

Mein Mann ist ein Feinspitz. Nachdem ich ihm in den vergangenen Wochen schon fünf Mal die edlen Stangen, die auch als Königinnen des Gemüses tituliert werden, serviert habe, seufzte der Göttergatte: „Weißt Du, was ich soooo gerne wieder einmal essen würde? Spargeln mit Morchelsauce!“ Jetzt seufzte ich. Routinierte Pilzsucher haben mir Stein und Bein geschworen, dass es derzeit keine Morcheln gibt, weil es dafür erstens zu spät sei und zweitens zu trocken. Und am Wochenmarkt habe ich auch keine gesichtet.

Auf besonderen Wunsch meiner 92-jährigen Schwiegermutter unternahm mein Mann mit ihr eine Wanderung zu einer Narzissenwiese. So etwas Prachtvolles gibt es nicht nur im Ausseerland, sondern auch in den Auwäldern der Ybbs im Mostviertel.

„Und, kannst mit den Morcheln was anfangen?“, fragte er mich nach seiner Rückkehr. „Was für Morcheln?“, konterte ich. Darauf er: „Na, ich hab sie dir in die Küche gelegt.“ Ich dachte, dass er mich auf den Arm nehmen wollte. Aber nein, da lagen sie, drei makellose Prachtexemplare. Wo er die herhatte? Ganz unverhofft hatte sich ihm das Schlauchpilz-Trio mit wabigem Hut und Stiel mitten auf der Wiese in den Weg gestellt.

Und ob ich damit was anzufangen wusste: Ich habe aus dem Glücksfund mit in Butter angeschwitzten, leicht bemehlten, mit Cognac abgelöschten und Schlagobers aufgegossenen Schalotten eine tolle Sauce zu den Spargeln gefertigt. Es war ein Festmahl! Diese Gaumenfreude hat in mir, die ich eine passionierte Pilzsucherin bin, natürlich das Jagdfieber geweckt. Am nächsten Tag ging ich allein auf die Pirsch. Leider vergeblich. Nächste Woche werde ich mein Glück nochmals versuchen. Schließlich kommen die Morcheln für mich kulinarisch gleich nach den Trüffeln. Und anzufangen weiß ich mir damit auch noch mehr als sie zur Spargelsoße zu verkochen: In der Schweiz etwa kommen sie bevorzugt mit Kalbsrücken und Nudeln auf den Teller, in Italien in Risottos.

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