Im Auge der Betrachter

Im Auge der Betrachter
Von Schlankheitskult und Perfektionsdruck: Wieso Schönheitsbewerbe problematisch sind.
Anna-Maria Bauer

Anna-Maria Bauer

Sie sind oberflächlich.

Machen Frauen (und im Falle der Mister-Wahlen auch Männer) zu Objekten.

Reduzieren Menschen auf ihr Aussehen, das gewogen, gemessen und im Großteil der Fälle für nicht gut genug befunden wird.

Die Frage, die sich anlässlich der aktuellen Debatte um die Manipulationsvorwürfe bei der Miss-Vienna-Wahl viel stärker stellen sollte, ist doch: Wozu gibt es diese Schönheitswettbewerbe noch?

Als sie vor 90 Jahren in Österreich ins Leben gerufen wurden, seien sie für Frauen eine der wenigen Möglichkeiten gewesen, unabhängig zu sein und ihr eigenes Geld zu verdienen, argumentierte eine ehemalige Veranstalterin am Sonntag im KURIER. Dass dem so war, dass Frauen in den 1920er-Jahren weniger Rechte und noch weniger Chancen hatten, dass sie ohne Erlaubnis ihres Mannes nicht arbeiten durften, ist traurig genug. Damit kann kaum das heutige Bestehen der Bewerbe gerechtfertigt werden. Ebenso wenig damit, dass es ein Bedürfnis nach Schönheit und deren Bewertung gebe.

Das Problem an unserem aktuellen Schönheitsideal ist ja: Es ist vor allem ein Schlankheitswahn. Und das Bewertungssystem der Wettbewerbe erreicht ja nicht nur die Teilnehmerinnen. Die Bilder der lächelnden, schlanken Gewinnerinnen verfestigen den (Irr-)Glauben, dass Schönsein bzw. Dünnsein Ruhm, Erfolg und Glück bringt. Zusammen mit den Bildern dünner Influencerinnen auf Instagram, dünner Models auf Werbeplakaten und dünner Schauspielerinnen in Film und Fernsehen steigt der Perfektionsdruck auf den Rest der Gesellschaft.

Die Folge ist eine steigende Zahl an Essstörungen – die in 10 bis 15 Prozent der Fälle tödlich endet, was sie zur psychischen Erkrankung mit der höchsten Sterberate macht. Ein Umstand, der nicht nur am heutigen Anti-Diät-Tag thematisiert werden sollte. Die Britin Mary Evans Young rief den Aktionstag 1992 in Leben, um Schönheitsideale zu hinterfragen und natürliche Größen- und Gewichtsunterschiede zu würdigen.

Ob sie geahnt hat, dass sich die Situation in den kommenden 27 Jahren lediglich verschlechtern wird?

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