Ich hab ein neues Zuhause für meinen Röhrenfernseher gesucht

Die Studenten nebenan haben mich angeschaut, als hätte ich die Kontrolle über mein Leben verloren.
Simone Hoepke

Simone Hoepke

Dramen haben sich abgespielt. Nur, weil ich ein paar Tage das Land verlassen habe.

Mein Mann hat mich zum Flughafen kutschiert, gewartet, bis ich den Koffer aufgegeben hatte, hinter dem Check-in verschwunden war. Ein außerordentlicher Akt der Aufmerksamkeit.

Dachte ich.

Denkfehler.

Der gute Mann wollte sichergehen, dass ich den Kontinent verlasse und er freie Bahn hat.

Zum Elektronikhändler. Dort stand die Spielkonsole, die er haben wollte. Eine Erfindung direkt aus der Hölle, wenn man mich fragt. So was kommt mir nicht ins Haus, da hab ich meine Prinzipien. Und mindestens einen triftigen Grund: Unseren Röhrenfernseher. Ein prähistorisches Modell, das zwar schon mit Strom betrieben wird, aber nicht im entferntesten mit einer Spielkonsole in Verbindung gebracht werden kann. Gut so.

Zumindest so lange ich da bin, mich schützend vor das Artefakt der Marke „Barney Geröllheimer“ stelle. Doch ich war im Luftraum über den Pazifik, als ein neuer Fernseher samt Playstation bei uns eingezogen ist.

Als ich heimkam, hat mich fast der Schlag getroffen. Das OLED-Drum verstellt die halbe Wand und ist ungefähr so dünn wie eine Palatschinke. Als Ablage für Schlüssel, Post und Kleingeld völlig unbrauchbar. Und auch sonst ist sein Programm ein einziger Horror. Gnadenlos zeigt das HD-Ungetüm, was mein alter Fernseher großzügig weggepixelt hat: Falten, unreine Haut, Haarbüschel, die älteren Herrn der Seitenblicke-Gesellschaft aus den Ohren wuchern.

Hab für den Röhrenfernseher ein neues Zuhause gesucht. Das schulde ich ihm. Wollte ihn den Studenten nebenan schenken, aber die haben mich nur angeschaut, wie man Menschen anschaut, die offensichtlich die Kontrolle über ihr Leben verloren haben. Unter dem Gejohle von Freunden habe ich dann eine Anzeige auf willhaben aufgegeben – Röhrenfernseher sucht neues Zuhause. Nach 4 Minuten 20 Sekunden war mit dem Gejohle Schluss. Der Fernseher war weg.

Ein Beweis, dass die Leute Qualität haben wollen.

Oder alles, was gratis ist.

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