Hochzeitstag in absoluter Finsternis

Dinner in the Dark ist praktisch. Das Gegenüber sieht nicht, wenn man ihm die Zunge zeigt.
Simone Hoepke

Simone Hoepke

Von Pizza bekomme ich akute Schmerzen im Zeigefinger.

Das liegt am Messer in der Pizzeria, das genau gar nicht schneidet. Außer man drückt mit ganzer Körperkraft an.

Am Nebentisch ein frisch verliebtes Pärchen. Beide nervös. Dass sie den Minitisch bekommen haben, stört sie nicht. Unter dem Tisch stoßen ihre Knie aneinander, auf dem Tisch ihre Teller. Der Gentleman rückt seinen Teller an sich heran, bis knapp über den Tischrand hinaus - um ihr Platz zu machen. Er greift zu Messer und Gabel, will die Pizza anschneiden.

Geht nicht. Eh klar. Wär’ auch das erste brauchbare Schneidwerkzeug hier gewesen. Er verstärkt den Druck aufs Messer und – platsch! Die Pizza kippt samt Teller in seinen Schoß. Freilich mit der Käse-Seite nach unten, was bei der Rückholaktion auf den Teller unschöne Fettflecken auf der Hose und Käsefäden als neues Verbindungsglied zwischen Oberschenkel und Pizza am Teller führt.

Wer solche Peinlichkeiten vermeiden will, sollte zum Dinner in the Dark gehen. Stockfinster ist es im Lokal, man sieht nicht mal die eigene Hand vor Augen. Um Dinge wie Schnittlauch zwischen den Zähnen muss man sich in so einer Atmosphäre keine Sorgen machen.

Auch nicht um fade Tischnachbarn. Sie bekommen gar nicht mit, wenn man ihnen die Zunge zeigt. Und merken nicht, dass man seit geraumer Zeit die Augen geschlossen hat.

Die Stimmung ist gelöst, umfallende Gläser, Getuschel, Gelächter. Wir spielen „Vier gewinnt“ – in einer Version für Blinde, die uns der Kellner gebracht hat. Die Hauptspeise kommt. Huhn mit Nudeln, Pinienkernen und – Sauerkraut. Klingt sinnbefreit, ist es auch (bei Licht betrachtet war es nicht Sauerkraut, sondern Blattspinat). Nach dem Dessert laute Musik. Stimmung! Wir tanzen ausgelassen – sieht ja keiner. Es ist stockfinster.

Übrigens: Laut Lokal-Gästebuch feiern viele Pärchen ihren Jahrestag im Dunkeln. Alle restlos begeistert. Ob das daran liegt, dass sie nicht sehen wollen, wen sie sich einst eingetreten haben, ist nicht überliefert.

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