Fabelhafte Welt: Wo lebt die Femme fatale?

Vom Partygirl bis zur in die Jahre gekommenen Dame - wenn Städte Frauen wären
Vea Kaiser

Vea Kaiser

Haben Sie sich schon einmal vorgestellt, wie Ihre Lieblingsstadt aussähe, wenn sie eine Frau wäre? New York z. B. wäre in meiner Vorstellung ein hart arbeitendes, erfolgreiches Partygirl auf der ständigen Suche nach neuen Erlebnissen, Freunden und kulinarischen Kreationen – ein wenig überdreht, nie langweilig. Paris eine melancholische, kunstsinnige Femme fatale mit charmanten Falten an den richtigen Stellen, einer tiefen Stimme und schwerer Nikotinabhängigkeit.
Barcelona eine braungebrannte Straßenmusikerin mit philosophischer Tiefe.
Neapel die vollbusige, charakterstarke Mami vierer Buben, die ihrem noblen Elternhaus den Rücken kehrte, um ihre große Liebe zu heiraten.
Und Wien? Wien wäre eine in die Jahre gekommene Dame, die täglich ihre guten Kleider wie Schmuckstücke betrachtet, ohne sie je zu tragen, darüber klagt, dass früher alles besser war – obwohl ihr Leben herrlich ist, und das Beste noch vor ihr liegt. Sie wäre wetterfühlig, bodenständig und hätte ein kleines, sehr flauschiges Hündchen. Regelmäßig würde ihr etwas wehtun, ohne dass Ärzte dafür eine Erklärung fänden. Auf ihre Körperhygiene würde sie viel Wert legen und ihre Fingernägel wären perfekt manikürt. Dennoch fände sich auf ihren Zähnen häufig etwas Lippenstift, auf ihrem täglichen Glas Wein sowieso. Oberflächliche Bekanntschaften würden sie attraktiv, aber oft auch unsympathisch finden. Wer sie jedoch kennenlernt, würde ihr goldenes Herz zu schätzen beginnen, und ihr schlussendlich verfallen.
Leider würde sie sich immer wieder zu toxischen Menschen hingezogen fühlen, die ihr einredeten, weniger fabelhaft zu sein, und ihr vorgaukelten, nur sie könnten sie großartig machen. Obwohl sie doch bereits ausnehmend witzig, klug und wunderbar wäre – nur leider wie viel zu viele wunderbare Frauen nicht in der Lage, das selbst auch zu sehen.

vea.kaiser@kurier.at

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