Fabelhafte Welt: Wir brauchen Urlaub

Reisefreiheit kannte ich nur aus alten Fernsehbildern – bis das Ende der Reisebeschränkungen nach Italien verkündet wurde.
Vea Kaiser

Vea Kaiser

Den Fall der Berliner Mauer wie die Öffnung des Eisernen Vorhangs verschlief ich, und an Österreichs EU-Beitritt vermag ich mich nur dunkel zu erinnern. Die ekstatische Freude über Bewegungs- und Reisefreiheit kannte ich daher nur aus alten Fernsehbildern – bis der Herr Außenminister das Ende der Reisebeschränkungen nach Italien verkündete.

Mein Dottore Amore sprang vom Sofa und jubelte, als hätte der FC Napoli die Champions League oder er selbst einen Ferrari gewonnen. Im Ristorante der Famiglia wurde getanzt, und ich war nur froh, dass sie darauf verzichteten, in Autokorsos hupend und Fahnen schwenkend durch die Stadt zu fetzen. An den geschlossenen Grenzen litt mein italienisch-italophiles Umfeld nämlich sehr.

Im Ristorante beobachtete ich Gäste, die sehnsüchtig, als hätten sie monatelang gehungert und gedürstet, nach Aperol Spritz und Pasta lechzten: Schließlich sei in Italien die Küche besser! Don Schwiegerpapa vermisste seine Geschwister in Napoli und wurde grummelig, weil er neue Tische für das Ristorante brauchte: Schließlich sei in Italien das Design besser! Der Dottore Amore bekam den Blues, weil er endlich wieder den ganzen Tag seine Sonnenbrille auflassen und das Hemd bis zum Bauchnabel aufknöpfen wollte: Schließlich sei in Italien das Dolce Vita besser! Und sogar der sechsjährige Kronprinz seufzte. Er darf sein Fahrrad-Blinklicht nicht benutzen, denn anders als in Italien ist in Österreich nur dauerleuchtendes Licht erlaubt: In Italien sei halt alles besser!

Meine eine Freundin meint übrigens, das stimme nicht, denn in Spanien sei alles besser, die andere behauptet das für Griechenland, die nächste für Kärnten, die

Oma für die Wachau. Alle zusammen sind sich nur darin einig, dass anderswo alles besser ist.

Ich glaube: Wir brauchen alle einfach dringend Urlaub. Das wäre am besten für alle.

 

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