Fabelhafte Welt: Von Rüden und Weibchen
Die meisten meiner verheirateten Freunde männlichen Geschlechts verwenden viel Energie darauf zu beweisen, dass sie trotz Ehe harte unabhängige Rüden geblieben sind, die zwar mit einem Weibchen sesshaft wurden, dennoch allzeit bereit für die Wildnis sind. Die einen ziehen bis vier Uhr morgens um die Häuser, während die Familie zuhause schläft. Die anderen posten Fotos von nur für sich gekochten Gerichten in Sozialen Netzwerken, so als ob sie zeigen wollten: Und sollte sie mich verlassen, so wird sie verhungern, nicht ich!
Mein Mann ist da anders. Mein Mann hegt überhaupt kein Interesse daran zu beweisen, dass er alleine gut durchs Leben käme. Ganz im Gegenteil. Wir sind gerade mal ein halbes Jahr verheiratet und trotzdem ruft er mich an, wenn er seine Brille sucht, eine Adresse nicht weiß, und gekocht hat er zuletzt an jenem Abend, an dem wir uns zum ersten Mal küssten. Da er vor mir allerdings auch 34 Jahre lang ganz gut überlebt hat, dachte ich, seine Anhänglichkeit sei süditalienische Bequemlichkeit. Doch als ich neulich von einer längeren Lesetour nachhause kam, wurde ich eines Besseren belehrt. Mein Dottore Amore sah furchtbar aus! Das Gesicht fahl, weil er den Weg an die frische Luft nicht fand, sondern nur zwischen Wohnung und Krankenhaus pendelte. Er ging bucklig wie Quasimode, weil er am Sofa vor dem Fernseher campierte, und gegessen hat er sowieso nur die Weckerln, die ihm die Feinkost-Verkäuferin belegt hat.
Kaum, dass ich über die Schwelle getreten war, schmiegte er sich an mich. „Es war so furchtbar ohne dich“, sagte er und ließ mich nicht mehr los. Er roch nach lange nicht mehr gewechselten Handtüchern und ich verstand: Manch einer schreibt seiner Angebeteten Postkarten, wenn er sie vermisst. Mein Mann hingegen verwahrlost aus Liebe.
vea.kaiser@kurier.at
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