Fabelhafte Welt: Muss das wirklich weg?

Von herzlosen Radikalen: Familienzwist ums Ausmisten
Vea Kaiser

Vea Kaiser

Wie, wann und was man ausmistet – über diese Frage verläuft in meiner Familie ein Bruch von der Größe des Marianengrabens. Mein Bruder, meine Mutter und mein Mann sind die „herzlosen Radikalen“, die alles, was sie nicht mehr brauchen, sofort entsorgen. Mein Vater und ich sind sensibler. Wir bauen Beziehungen auf zu Dingen, die uns am Herzen liegen. So können wir keine Zeitungen wegwerfen, die wir nicht zumindest kursorisch durchgeblättert haben. Wir heben löchrige Kleidungsstücke auf, um sie zumindest zuhause oder beim Ausmalen zu tragen. Wir archivieren nutzlose Dokumente, die uns an Meilensteine unseres Lebens erinnern. Und wenn wir uns wirklich von einem lieben Ding trennen müssen, dann schauen wir zumindest dazu, dass der Gegenstand einen neuen Platz bekommt. Eine Sorge, für die die „herzlosen Radikalen“ in unserer Familie kein Verständnis haben. Die stehen eher auf Schrottplätze und Mülleimer. So kam es neulich im Garten meiner Eltern zum Showdown. Mein Vater hatte dort seit einem dreiviertel Jahr seinen alten Renault geparkt, in der Hoffnung, einen Bastler zu finden, der diesem lieben braven Auto eine letzte Chance gab. Meiner Mutter war das ein Dorn im Auge. Und als mein Vater sie fragte, was sie sich zum Geburtstag wünschte, antwortete sie: „Dass das Auto verschwindet!“ Mein Vater bemühte sich, jemanden zu finden, der sich des Autos erbarmte, doch als der Geburtstag meiner Mutter nahte, schritt er zum Äußersten. Mein Vater liebt meine Mutter nach 40 Jahren Beziehung über alles. Also rief er die Feuerwehr und ließ den Renault in den Garten meines Opas schleppen. Ich finde, hier zeigt sich das Rezept für eine lange glückliche Liebe: Man muss die Bedürfnisse und Wünsche des anderen respektieren und sich selbst dabei treu bleiben. Auch wenn es dafür die Feuerwehr braucht.

vea.kaiser@kurier.at

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