Fabelhafte Welt: „Feines Schatzi, da hast ein Keksi“

Warum wir dringend wieder unter andere Menschen müssen.
Vea Kaiser

Vea Kaiser

Zur Abwechslung etwas Positives: 2020 wird als dasjenige Jahr in die Geschichte eingehen, in dem wir Aufgaben bewältigten, die wir uns zuvor nicht zutrauten. Manche von Ihnen fungier(t)en als Lehrkräfte oder Freizeitpädagogen, andere lernten zu bügeln, mit neuer Technik umzugehen oder Brot zu backen. Ich für meinen Teil habe den Hund trainiert. Eigentlich wollte ich mit ihm in die Hundeschule gehen, doch viele Kurse fanden nicht statt und die zwei privaten Hundetrainer, die mit uns zu arbeiten anboten, machten mir Angst. Kandidat A wollte zu uns nach Hause kommen, da das Virus nicht gefährlich, sondern eine Verschwörung des Deep State und der Medien sei, um die Demokratie auszuhebeln – wer das nicht wüsste, sei ein Schaf und solle mal auf Telegram die unbequeme Wahrheit recherchieren. Kandidatin B wiederum sah es als heilige Pflicht an uns zu helfen. Denn auf Liebe und Vertrauen fußende Bindung zwischen Frauli und Fellfreund stärkten menschliche wie hündische Abwehrkräfte und machten immun gegen Krankheiten. Während Sie also Sauerteig züchteten oder Gemüse fermentierten, las ich Bücher zu Hundepsychologie, lauschte Podcasts und trainierte den Hund, indem erwünschtes Verhalten durch Angenehmes belohnt wurde. Es stellte sich heraus, dass auch mein Mann den Müll eher runterbringt, wenn er danach ein Schokocroissant bekommt. Bilder hängt er auch lieber auf, wenn er dafür gelobt wird.
Sogar mich selbst brachte ich dazu, die Vorjahresbuchhaltung abzuschließen, indem ich mir dafür Schuhe versprach. Wir lobten und belohnten, doch als mein Mann neulich nach dem Wäscheaufhängen zu mir sagte: „Feines Schatzi, da hast ein Keksi“ – da wusste ich: So toll es ist, wie viel wir selbst zu machen gelernt haben, wir müssen dringend wieder unter andere Menschen. Unser Hund wird nämlich langsam zum schlechten Einfluss.

vea.kaiser@kurier.at

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