Fabelhafte Welt: Er hat mich verlassen

Die Katastrophe des noch jungen Jahres.
Vea Kaiser

Vea Kaiser

Das neue Jahr ist noch keinen Monat alt und schon ist eine Katastrophe passiert: Er hat mich verlassen. Ich verstehe seine Gründe, aber es ist trotzdem rücksichtslos. Ich habe Jahre gebraucht, um ihm zu vertrauen, und er versprach mir stets, dass alles gut werde. Er wusste, dass ich vor ihm viele Enttäuschungen durchlitt. Wir haben große Krisen miteinander durchgestanden. Ich stellte ihm unzählige meiner Freunde vor, doch all das war ihm am Ende des Tages egal. Ohne Angabe von Gründen ging er hinfort. Und er hatte nicht einmal den Mut, es mir persönlich zu sagen. Nicht einmal einen Brief schrieb er. Sondern in einer profanen, prosaischen E-Mail verkündete er: „Leider gebe ich meine Praxis in Wien auf und werde zukünftig in Niederösterreich ordinieren.“ Und nun ist er weg, mein Zahnarzt. In meinem Frust überlege ich sogar, mich zu engagieren. Vielleicht könnte ich Lobbyistin der Ärztegatten & Ärztinnengatten & Ärztegattinnen & Ärztinnengattinnen werden, und in dieser Funktion der Ärztekammer eine Idee aufschwatzen: eine Vermittlungs-App für Fachärzte, Medi-Tinder! Damit zusammenfindet, wer zusammengehört! Stellen Sie sich vor, Sie müssten bei einem Wehweh nicht erst im Bekanntenkreis herumfragen oder das Internet durchforsten, sondern könnten am Handy die Bilder und Beschreibungen der Verfügbaren abchecken, bis sie den oder die Richtige gefunden haben. Um Enttäuschungen vorzubeugen, könnte man angeben, was man sucht: etwas Dauerhaftes, etwas Ungebundenes oder auch den Seitensprung in Form einer Zweitmeinung. Man könnte im Vorfeld sehen, ob man geografisch und terminlich zueinander passt. Und sollte man, so wie ich jetzt, verlassen werden, würde sich die Verzweiflung in Grenzen halten: Das neue Glück wäre nur ein paar Klicks entfernt. Und einem seligen Lächeln mit gesunden, weißen Zähnen stünde nichts mehr im Weg.

vea.kaiser@kurier.at

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