Fabelhafte Welt: Die Eingeweihten

Computer, PDFs, Downloads und Datenschutz. Wenn Berufene mit Unwissenden zu tun haben.
Vea Kaiser

Vea Kaiser

Manche Berufe sind nicht nur Beruf, sondern Berufung. Berufene haben Zugang zu höheren Wahrheiten, die Nicht-Berufenen verschlossen bleiben. Wie jener eingeschweißte Kreis derer, der Zugang zu den wichtigsten Mysterien der heutigen Welt hat: die Techniker. Im Kopiershop bei mir um die Ecke arbeitet eine Gruppe solcher Eingeweihter, die leider das Pech hat, Tag für Tag ihre Weisheit mit Nicht-Eingeweihten wie mir teilen zu müssen. Wie jede verschworene Gemeinschaft haben auch sie einen Dresscode: Pferdeschwänze und T-Shirts, auf denen abgewandelte Filmzitate stehen. Als ich neulich dort vorstellig wurde, um etwas auszudrucken, war auf dem grünen Shirt des einen zu lesen: May the Code be with you. Über dem Bierbauch desjenigen, der für mich zuständig war, stand: I see dumb people. Dieser Satz schien so etwas wie sein Lebensmotto zu sein. Denn als ich eine Sekunde zu lang überlegte, wie viel Guthaben er mir auf meine Kopierkarte laden sollte, schob er mir schon einen Taschenrechner über den Tresen: „Für unsere Kunden, die nicht über Volksschulmathematik hinausgekommen sind.“ Eingeschüchtert versuchte ich daraufhin, ein PDF von meinem E-Mail-Account zu drucken. Natürlich ging es schief. Schimpfend erschien der Techniker hinter mir: „Also das PDF nicht auf den Computer downzuloaden, sondern aus der Anhangs-Vorschau zu drucken, ist ja das Dümmste, was man machen kann!“ Schüchtern erwiderte ich, dass es doch heutzutage immer heiße, ein wichtiges Dokument auf einem fremden Computer zu speichern, sei das Dümmste, doch damit erregte ich Unwissende den Zorn des Wissenden, und kassierte eine halbstündige Predigt darüber, wie man Daten schütze. Zwangs-erleuchtet zog ich von dannen. Nein, ich bin nicht zum tieferen technischen Verständnis berufen. Aber Berufenen das Leben schwer zu machen, ist auch eine Berufung.

vea.kaiser@kurier.at

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