Fabelhafte Welt: Das Alter ist bloß eine Zahl

Wie sich das Leben kurz vor dem 30er so anfühlt.
Vea Kaiser

Vea Kaiser

Vea Kaiser über ihren Geburtstag

Seit neun Jahren fürchte ich mich vor dem kommenden Freitag. Am Freitag nämlich endet der Welpenschutz: Ich werde dreißig. Das nagte sehr an mir. Plötzlich tauchten überall weiße Haare auf, eines sogar in der Augenbraue, doch dann spazierte ich wie jeden Samstagmorgen gegen 7 mit dem Hund zum Markt. Wir passierten meine ehemalige Stammbar, in der ich mir früher die Nächte um die Ohren geschlagen hatte, als Franz, mein Lieblingsbarkeeper, mit einer Eroberung heraustorkelte. In ihren Gesichtern zeichneten sich die Spuren der durchzechten Nacht ab, beide stanken bestialisch nach mit Bier ausgespülten Aschenbechern und waren so besoffen, dass sie sich vom Hund, der eine große Liebe zu ungewaschenen, intensiv riechenden Menschen hegt, das Gesicht lecken ließen, inkl. Ohrmuscheln und Lippeninnenseiten. Nach diesem Schmuseintermezzo wankten Franz und Anhang ins Bett, während der Hund und ich zum Markt promenierten. Ich dachte an früher, als ich manchmal selbst diejenige war, die erst bei Tagesanbruch nachhause kam. Damals schämte ich mich unbändig, wenn mir frisch geduschte, ausgeschlafene Menschen begegneten, die an ihr Tagwerk schritten, während ich nutzlos ins Bett stolperte. Nun jedoch freute ich mich diebisch, endlich zu den Geduschten zu gehören und nicht mehr zu den Opfern der Nacht. Am Markt angekommen tauschte ich mich mit meinen älteren Nachbarn, die  ihre Einkäufe bereits erledigt hatten, über das heutige Angebot aus, welcher Händler die zartesten Kalbsvögerl und süßesten Paradeiser hatte, und auf dem Heimweg, den vollgefüllten Hausfrauenporsche im Schlepptau, wurde mir etwas über Geburtstage bewusst. Das Alter ist bloß eine Zahl. Wichtiger ist, wie man sich fühlt. Und somit kann ich mich eigentlich freuen, ERST dreißig Jahre alt zu werden, denn das Leben eines Pensionisten hab ich eh schon fast.

vea.kaiser@kurier.at

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