Fabelhafte Welt: Bei euch riecht’s so

Wenn der Aberglaube dazu führt, dass der Dottore Amore sein Hemd nicht wechselt
Vea Kaiser

Vea Kaiser

Nach über einem Jahr Ehe hat es mein Dottore Amore aufgegeben, heimlich zu rauchen oder Fast-Food-Lokale aufzusuchen. Der liebe Gott sieht alles. Und ich rieche alles. Seit Generationen wird in meiner Familie ein exzellenter Geruchssinn vererbt, der jedoch das Leben nicht nur leichter macht. Ich glaube ja, dass jeder Mensch über einen besonders gut funktionierenden Sinn verfügt. Im Idealfall ergänzen sich unsere jeweiligen Super-Sinne, doch derjenige Sinn, der bei meinem Mann am ausgeprägtesten ist, wurde zu meinem Fluch. Der Dottore Amore nämlich verfügt über einen sehr ausgeprägten „sechsten Sinn“, also eine Anfälligkeit für Aberglauben aller Art. Er kann nichts dafür, das ist süditalienisches Genmaterial, und doch trieb er mich damit an den Rand der Verzweiflung.
Die letzten acht Tage vor seiner Facharztprüfung Urologie weigerte er sich, sein Hemd zu wechseln oder seine Haare zu waschen. Es gibt da wohl einen Aberglauben, man könne Gelerntes mit Waschmittel oder Shampoo ausspülen. Nur unser Hundetier, der bekanntlicherweise größte Grind-Spatz der Welt, fand das super, und war von meinem Mann nicht mehr loszueisen. Meine Mutter schließlich rettete uns. Sie hatte für uns vor einiger Zeit auf einer Kerzerlparty ein Sortiment Duftkerzen erstanden, weil die Dame von Welt am Land nicht mehr zu Tupperpartys geht, sondern nun Kerzerlpartys frequentiert. Zu meinem Glück! Ich entzündete in unserer Wohnung ein Feuerwerk an Gerüchen: Weihrauch, Salbei und Kräutermischungen, um die bösen Geister zu vertreiben, die Gelerntes vergessen lassen, und besagte hocharomatische Chemie-Bomben, damit das Ganze auch gut riecht. Kurz darauf reckte die Nachbarin auf dem Gang vor unserer Wohnungstür ihr Näschen in die Luft und bemerkte: „Bei euch riecht’s so besinnlich und gleichsam wohlschmeckend. Voll wie Weihnachten!“

vea.kaiser@kurier.at

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