Fabelhafte Welt: Backen ist wie guter Sex

Fabelhafte Welt: Aber wie ist das mit Weihnachtskeksen? Unsexier geht's nicht?
Vea Kaiser

Vea Kaiser

Backen ist eine der am gröbsten missinterpretierten Tätigkeiten der Welt. In der Freizeit zu backen ist keineswegs ein biederes Hausweibchen-Hobby, sondern aufgrund seiner meditativen Wirkung ideal für gestresste, hart arbeitende Menschen auf der Suche nach Entspannung. Beim Backen kann man nicht über eigene Probleme grübeln wie beim Risotto-Rühren. Backen ist wie guter Sex: Das wird nur was, wenn man voll bei der Sache ist und nicht an noch zu schreibende Mails denkt.
Diese Mischung aus Konzentration bei gleichzeitiger Pause für das eigene Gedankenkarussell finde ich super. Im Yoga-Studio kosten 75 Minuten Meditieren 17 Euro. Um einen Kuchen zu backen, kommt man mit weniger als der Hälfte aus – und hat sogar noch etwas zum Naschen. Mehr Self-Care geht nicht. Doch mit einem Typus Süßwaren habe ich ein gewaltiges Problem: mit Weihnachtskeksen. Kekse zu backen, kann ich nicht ausstehen, obwohl es doch die perfekte Entspannungs-Maßnahme wäre. Was ist los mit mir? Die zarten Formen und Details herzustellen, verlangt ähnliche Konzentration wie z. B. ein Sandmandala. Von letzteren heißt es im tibetischen Buddhismus, dass sie dem Menschen dabei helfen, die eigene Ich-Anhaftung zu lösen, und somit die Ursache allen Leids.
Als ich neulich bei meiner Oma war, stellte sie die Keksdose in die Mitte und sofort schossen die Hände zur Tischmitte. Drei Minuten 50 Sekunden später war die Keksdose leer und ich verstand endlich, warum ich Kekse nicht leiden kann: Sie sind Sandmandalas zu ähnlich! Buddhistische Mönche brauchen für ihre Erstellung mitunter Tage, und sobald sie fertig sind, fegen sie die Mandalas in wenigen Besenzügen weg. Ähnliches gilt für Kekserl: je köstlicher und hübscher sie sind, umso aufwendiger ist ihre Produktion, und umso schneller sind sie weg.
Mein Weg zur Erleuchtung ist wohl noch ein sehr sehr weiter.

vea.kaiser@kurier.at

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