Fabelhafte Welt: Adieu

Ein Abschied mit einem letzten Gin Tonic: Meine Stammbar sperrt zu.
Vea Kaiser

Vea Kaiser

Ich versuchte, dem endgültigen Zusperren meiner Stammbar stoisch entgegenzusehen. Stolze dreißig Jahre wurde sie alt. Das ist ein Alter, das die meisten Rock’n’Roller mit so einem Lebensstil nie erreichen. Amy Winehouse, Kurt Cobain oder Janis Joplin hielten nicht so lange durch! Ich redete mir sogar ein, ihr Zusperren sei gut für mich. Die Zeiten sind schließlich vorbei, in denen ich nach grausigen Dates oder wilden Streits mitten in der Nacht über die Straße laufe, um mich beim Barkeeper auszuweinen. Außerdem bin ich sowieso zu alt und zu beschäftigt, um bis zum Morgengrauen mit zufälligen Bekanntschaften zu philosophieren. Und irgendwie war diese Bar auch reif für den Ruhestand: Der Wutzler klebte so sehr, dass der Fußball nicht mehr rollte, die Toiletten hatten denselben Charme wie die Zugsklos einer monatelang nicht gereinigten sibirischen Eisenbahn, und das Lokal im Ganzen war so verraucht, dass man das Gewand zwei Mal waschen musste. Doch als ich dann den letzten Gin Tonic in der Hand hielt, wurde ich sentimental. Mir wurde bewusst, dass ich nun keinen Ort mehr hatte, an dem ich allein sein konnte, ohne allein zu sein. An dem ich mir allen Frust der Welt von der Seele trinken und die größten Triumphe der Menschheit feiern konnte. Wo ich mich mit diversen Galgenvögeln aus der Nachbarschaft aufs Tiefste zerstreiten konnte, nur um uns beim nächsten Zechbesuch wieder melodramatisch zu versöhnen. Und was passiert mit all den Stammgästen, deren soziales Leben rund um diese Eckbar kreiste? Mit den Hunden, die alleine dorthin liefen, weil immer ein Keks auf sie wartete, genau wie wohlwollende Gesellschaft und ein schmackhaftes Kaltgetränk auf die Zweibeiner? Ein Drink, der zwar nicht in der Lage war, das Leben in Ordnung zu bringen, aber zumindest den Moment. Ach Barfly, du wirst mir fehlen.

vea.kaiser@kurier.at

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