Erbrechtsfrage: Was steht mir nach dem Tod meiner Mutter zu?

Maria In der Maur-Koenne ist Rechtsanwältin in Wien.
Die Rechtsanwältin Maria In der Maur-Koenne beantwortet juristische Fragen zu praktischen Fällen aus dem großen Reich des Rechts.
Maria  In der Maur-Koenne

Maria In der Maur-Koenne

Meine Schwester und meine Mutter hatten immer schon eine viel engere Beziehung als meine Mutter und ich. Seit dem Tod unseres Vaters vor 10 Jahren hat sich das noch verstärkt. Jetzt ist auch unsere Mutter verstorben. Wie erwartet, hat sie meine Schwester zu ihrer Alleinerbin eingesetzt und mich auf den Pflichtteil reduziert.

Damit habe ich gerechnet. Nicht aber damit, dass gar nichts mehr da ist, weil sie offenbar schon vorher alles meiner Schwester geschenkt hat. Ich weiß von Schmuck und einem Sparbuch. Mehr weiß ich aber nicht konkret. Bekomme ich jetzt wirklich gar nichts nach dem Tod unserer Mutter?

Siegrid L., Kärnten

Liebe Frau L., zunächst mein herzliches Beileid zum Verlust Ihrer Mutter. Es kommt immer wieder vor, dass Eltern zu ihren Kindern eine unterschiedlich enge Beziehung haben und sie daher auch nach ihrem Tod unterschiedlich behandeln wollen. Die Grenze dafür bildet das Pflichtteilsrecht. Diesen Pflichtteil muss ein Elternteil seinen Kindern hinterlassen.

Nun wäre es natürlich einfach diesen Pflichtteilsanspruch auszuhöhlen, wenn zur Berechnung der Höhe des Pflichtteilsanspruchs nur das tatsächlich hinterlassene Vermögen herangezogen werden würde. Um zu verhindern, dass ein Kind einen Anspruch hat, müsste ja nur das gesamte Vermögen bereits zu Lebzeiten einem anderen Kind geschenkt werden. Um diese Umgehung zu verhindern, gibt es die Schenkungsanrechnung im Pflichtteilsrecht. Dabei werden alle früheren Schenkungen an andere Pflichtteilsberechtigte der Verlassenschaft hinzugerechnet und dann von diesem Gesamtwert die Höhe des Pflichtteilsanspruchs berechnet.

In Ihrem Fall heißt das, dass Sie jedenfalls auch einen Anspruch auf Ihren Pflichtteil vom bereits zu Lebzeiten verschenkten Schmuck und dem Sparbuch haben. Viele Hinterbliebene stehen aber vor dem gleichen Problem wie Sie. Sie wissen nämlich gar nicht genau, welche Schenkungen der Verstorbene schon zu Lebzeiten an andere Pflichtteilsberechtigte gemacht hat. § 786 ABGB regelt daher, dass Pflichtteilsberechtigte, die die Hinzurechnung einer Schenkung verlangen können, einen Auskunftsanspruch gegen die Verlassenschaft, die Erben und den Geschenknehmer haben.

Der Auskunftsanspruch ist dabei nicht auf bestimmte Schenkungen beschränkt. Voraussetzung ist aber, dass Umstände bewiesen werden können, die dafür sprechen, dass es entsprechende Schenkungen des Verstorbenen gegeben hat. Liegen diese Umstände vor, so umfasst der Auskunftsanspruch alle Schenkungen, die im Rahmen der Schenkungsanrechnung im Pflichtteilsrecht hinzuzurechnen sind. Schenkungen geringen Werts, die aus den laufenden Einkünften oder aufgrund einer sittlichen Pflicht erfolgten, sind nicht hinzuzurechnen. Über diese muss daher auch keine Auskunft erteilt werden. Über alle anderen Schenkungen muss hingegen sehr wohl Auskunft gegeben werden.

Da Sie Schenkungen von Schmuck und einem Sparbuch offenbar nachweisen können, haben Sie daher einen Auskunftsanspruch gegen Ihre Schwester. Ihre Schwester ist verpflichtet, Ihnen Auskunft über Zeitpunkt, Gegenstand und Wert sämtlicher von ihrer Mutter an sie gemachten Schenkungen zu geben. Davon ausgenommen sind nur Schenkungen geringen Werts aus den laufenden Einkünften.

Kommentare