„Der See ist nicht mein Kaffee“

Gestern in einem Café im Südburgenland. Eine Frau, ihr Blick trüb wie das Wetter, sagt in ihre Kaffeetasse: „An furchtbaren Reg’n hama ...“ Der Kaffee antwortet nicht. Aber die anderen Gäste pflichten ihr bei.
In Teilen des Südburgenlands war dieser Regen schon bitternötig. Fruchtbar, nicht furchtbar, sagen die Leute dort. Die Frau im Café interessiert das wenig. Sie hätte ihren Cappuccino lieber im Freien getrunken.
Noch viel weniger interessiert sie, dass der heurige – „furchtbar verregnete“ – Sommer 100 Kilometer weiter nördlich der Region Neusiedler See gutgetan hat. Der See, der im Sommer 2022 den tiefsten Wasserstand seit Beginn der Aufzeichnungen aufwies, nähert sich allmählich seinem Mittelwert. Im Seewinkel stöhnt man nicht mehr über extreme Trockenheit. Freude von Purbach bis Podersdorf und Pamhagen.
Urenkelfit
In der Tourismusbilanz 2024 entfielen 1.796.629 von insgesamt 3.287.439 Nächtigungen auf die Region Neusiedler See, das ist mehr als die Hälfte. Im Grunde müsste sich das gesamte Burgenland über die Nachricht freuen, dass der feuchte Sommer Wellness für den Neusiedler See bedeutete. Stattdessen hätte man trotzdem gern immerwährenden Sonnenschein. Weil einem der eigene Kaffee doch näher ist als der See.
Menschen beklagen sich oft über die kurzsichtige Politik, die nicht über Legislaturperioden und die eigene Wiederwahl hinausdenke, die unsere Welt nicht „enkelfit“, geschweige denn „urenkelfit“ zurücklasse.
Doch selber sind wir uns dann auch oft näher als die, die nach uns kommen werden. Ich sage zu der Frau, die den Regen furchtbar findet: „Aber haben Sie gestern gelesen, der Neusiedler See füllt sich langsam?“
Sie schaut erst mich – verständnislos – an, dann wieder in ihre Tasse. Ihr Blick sagt: „Und wieso ist der See mein Kaffee?“
Als ich weggehe, sehe ich, dass draußen vorm Café drei Tische besetzt sind. Menschen trinken zufrieden ihren Kaffee. Geschützt, unter der Markise.
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