Der erste Kuss

Joesi Prokopetz
Joesi Prokopetz über ein Mädchen Namens Edith und den Dreier links oben.

Warum gerade Edith das Mädchen war, dem ich den ersten richtigen Kuss meines Lebens gab oder aber von ihr bekam, wer kann das heute noch sagen? Edith war nicht schön. Nicht im landläufigen Sinne. Und im nicht landläufigen Sinne ist bald jemand schön. Alles in allem aber konnte man Edith apart nennen. Edith hatte zwei Reihen schöner, ebenmäßig weißer Zähne, nur…

Der Dreier links oben.

Er war durch eine Laune der Natur aus dem Glied getreten, stand herrlich weiß und kariesfrei da – aber eben einen Schritt zu weit vorne. Ich kam damals mit Edith ohne aller läppischen, verliebten Signale oder zeitraubender Blickkontakte ins Gespräch.

So fügte es sich, dass ich und Edith auch im Pausenraum zusammenstanden und nach der Schule in einem schmucklosen Espresso namens „Irene“ saßen. Eines Tages ging mir in eben diesem Espresso „Irene“ der Gesprächsstoff aus und ich blickte Edith ein wenig nachdenklich und vor allem stumm an, sie tat desgleichen, ihr Gesicht kam näher und…

…ich repetierte in Sekundenschnelle die gesamte Theorie des Zungenkusses; mit geschlossenen Augen kam sie auf mich zu und – es geschah. Sie züngelte ziemlich nervös in meiner Mundhöhle herum, was ich mit einem energischen Schub meiner Zunge beantwortete und die ihre ein wenig barsch in ihren Mund zurückdrängte.

Da spürte ich ihn.

Den Dreier links oben.

Mit der Zunge ertastet, schien er einen ganzen Meter außerhalb der Reihe zu stehen. Es war faszinierend, die Zungenspitze in jenen Zwischenraum zu zwängen, der durch die eigenwillige Stellung dieses einen Zahnes entstand. Die Aufregung um das Zungenküssen schwand ein wenig zugunsten eines allenthalben aufkommenden Interesses für Kiefer-Orthopädie.

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