Das Schloss der Queen als Festung

Reisefreudig sind die Windsors derzeit nicht. Balmoral ist und bleibt ihr Lieblingsplatzerl.
Lisbeth  Bischoff

Lisbeth Bischoff

Im Fall von Queen Elizabeth II. ist die Wahl der Sommerresidenz seit Jahrzehnten kein Rätsel: Balmoral Castle in Schottland. Jeden August zieht es sie auf ihren Landsitz Balmoral Castle, ein Schloss, das malerisch unterhalb des Berges Lochnagar in Aberdeenshire liegt. Dort bleibt die Königin meist bis Oktober.

Seit Königin Victorias Zeiten (sie regierte von 1837 bis 1901) streifen die Blaublütigen mit ihren zahllosen Angehörigen und Marotten durchs stille Tal des Flusses Dee. Man hat sich an sie gewöhnt. Inzwischen gelten sie bei den Einheimischen als Nachbarn. Ein bisschen exaltierte Nachbarn vielleicht; aber Exaltiertheit ist in Schottland kein Fehler. Victorias Ponyausflüge in dichtem Schneetreiben, Fackelparaden für russische Zaren, deutsche Kaiser im Schottenrock, ein Prinzgemahl, der aus der Kutsche auf alles ballert, was ein Hirsch sein könnte – langweilig wurde es nicht, seit Victoria im Frühjahr 1848 den früheren Landsitz des Earl of Fife übernahm.

Für Victoria war Balmoral ein Zufallsfund. Als der unverheiratete Besitzer seinerzeit an einer Fischgräte erstickte, wurde der Landsitz frei, und die Erben suchten einen betuchten neuen Bewohner. Victoria griff zu, ohne das Anwesen zuvor gesehen zu haben. Aber sie wusste, die Lage ist gut. Balmoral ist Privateigentum der Queen, kein Staatsbesitz.

Sie öffnet ihr Anwesen regelmäßig von Anfang April bis Ende Juli für Besucher, doch bis auf den wenig spektakulären Ballsaal bekommt niemand die persönlichen Räumlichkeiten zu Gesicht. Touristen dürfen den Park besichtigen, nicht aber die Privatgemächer, deren Einrichtung jede Vorstellungskraft sprengt. Schon Victorias Geschmack war berüchtigt. Sie ließ die Wände mit dunklem Holz verkleiden und den Boden mit Auslegeware bedecken, Dekor: schottisch kariert. Dazu Hirschgeweihe, gekreuzte Degen und Ahnenbilder.

Nach einem Besuch teilte ihr Premierminister Lord Rosebery (1847–1929) mit: Bisher habe er das Wohnzimmer von Victorias Haus auf der Isle of Wight immer für das hässlichste der Welt gehalten. Nun aber kenne er das Wohnzimmer von Balmoral.

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