Das Prozentschild schaltet einen Schalter im Hirn um

Ich überlege, mir ein Auto zu kaufen. Wegen der Bonuspunkte, die es fürs Tanken gibt.
Simone Hoepke

Simone Hoepke

Wissenschaftler schätzen, dass es weltweit nur noch maximal 60.000 Jäger und Sammler gibt. Ohne den Forschern in ihren Elfenbeintürmen nahe treten zu wollen: Ich fürchte, sie haben an der falschen Adresse gesucht.

Auf jeden Fall nicht in der Handelslandschaft. Also im Jagdrevier des Homo sapiens, seit er seinen Hauptwohnsitz vom Wald in die Stadt verlegt hat. Dort sammelt er keine Beeren, sondern Bonuspunkte. Er jagt nicht mehr Mammuts, sondern Mengenrabatte. Beim Bäcker, Billa, Buchhändler, am Flughafen, im Möbelhaus. Ob Punkte, Meilen, Stempel, Flamingos, Likes – Hauptsache, man rafft viel davon an sich. Gerne auch, um sie später verfallen zu lassen.

Wer heute Kassiererin werden will, muss täglich tausend Mal „Haben S’ a Kundenkart’n?“ sagen können. Wirkt beim Kunden wie das Ertönen des Jagdhorns, es aktiviert uralte Jagdinstinkte bei den Club-Mitgliedern.

Natürlich auch bei mir. Ich trete überall bei, versinke in einer Flut von Angeboten. Überlege, ein Auto zu kaufen. Wegen der Tonne an Kundenkarten, die ich mit mir schleppe. Und wegen der Bonuspunkte, die es für jede Tankfüllung gibt.

Vielleicht sollte ich die Wohnung kündigen, wie Udo Lindenberg ins Hotel ziehen. Dafür gibt es schließlich Treue-Punkte vom Hotel und vom Reiseveranstalter. Vielleicht geh’ ich auch noch zum Fachhändler Partyhüte und Luftballons kaufen. Brauche ich für die Feier meines neuen Reichtums – und Punkte gibt es obendrein. Ich unterschreibe weitere Club-Mitgliedschaften, freue mich über das Geo-Tracking, das dem Händler rechtzeitig mein Herannahen ankündigt, um mich mit Aktionen zu überschütten. Fühle mich wie ein Frackträger mit Zylinder im 18. Jahrhundert, der in den elitären Gentlemen’s Club spaziert.

Ich frage mich, woher das Wort Club kommt. Google. Das Wikiwörterbuch weiß zu berichten: Aus dem mittelenglischen Wort „clubbe“, das so viel wie Knüppel heißt. Oder vom altisländischen „klubba“, das Stock bedeutet. Kann man beides gut brauchen auf der Jagd.

Kommentare