Chaos de Luxe: Soja- ,Hafer- oder Mandelmilch?

"Hier ist nichts normal", sagte der Barista. Warum Entscheidungsfreiheiten so stressig sind.
Polly Adler

Polly Adler

Kolumbianische Röstung? Oder keniatisch? Flat white? Oder Caramel Macchiato? Hafer-, Soja- oder Mandelmilch? Was, gewöhnliche Kuhmilch??!? Sicher?“ Der überambitionierte Barista sieht mich an wie einen perversen Outcast. Jetzt zertrümmere ich seinen Berufs-Ehrenkodex mit der Machete: „Ich möchte bitte einen ganz normalen Kaffee.“ – „Hier ist nichts normal“, konstatiert er, „alle sehr speziell“. Ich kapituliere: „Geben Sie mir einfach irgendeinen von Ihren hysterischen Tralala-Kaffees.“ Unter uns: Ich bin mit diesem Entscheidungs-Dauerparcours in allen Lebensbereichen mental überfordert. Diese Herausforderungen bewirken, dass mich der hässliche Hund Stress permanent ankläfft. Das Lebensgefühl „It’s f***ing complicated“ setzt sich flächendeckend durch. Angenommen Sie haben eine Flusenfilter-Problematik bei Ihrer Waschmaschine. Oder Sie wollen nur wissen, ob dieses bescheuerte Buchregal lagernd ist. Oder Sie möchten ein hundsordinäres Flugticket buchen: ein Abgrund tut sich auf. Früher rief man bei den zuständigen Leutchen an und stellte eine Frage, für die es maximal zwei Antworten gab. Jetzt landen Sie in einem Labyrinth sinnloser Möglichkeiten. Blechstimmen weisen Sie im herrischen Kommandoton an: „Haben Sie ein Wartungsproblem, dann drücken Sie die 2. Wollen Sie ein Gepäckstück von 5, 10 oder 15 Kilo mitführen? Sind Sie depressiv verstimmt, melancholisch oder nur ganz ordinär wütend? ... Ihre Eingabe wurde nicht erkannt Tütütüt.“ „Es sind nicht unsere Talente, die zeigen wer wir sind, sondern unsere Entscheidungen“, konstatierte Dumbledore in einem Harry-Potter-Band. Der Zauber-Professor war definitiv noch nie in der Warteschleife einer Billig-Airline. Sonst würde er, so wie ich gerne, ein temporäres Tourette-Syndrom entwickeln, und die Blechstimmen mit Verzweiflungsschreien a la „Seid’s es alle wo ang’rennt?!“ torpedieren.

Pollys „Nymphen in Not“ im Rabenhof Theater: 17. 10. um 11 Uhr.

 

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