Chaos de Luxe: Eine Frau sieht rosa

Über eine Art Punschkrapfen-Panik.
Polly Adler

Polly Adler

Polly Adler: Die Folgen des Nikotin-Entzugs


So. Jetzt ist es so weit. Ich brauche was Süßes. Eine Nullmeldung, finden Sie? Nicht für mich: Während die anderen mit der Gier der Abhängigen ihren Serotonin-Haushalt häufig mit Vanillegebirgen und Schokohalden hochjazzen mussten, hat mich das immer kalt gelassen. Damit ist es jetzt vorbei. Ich bin jetzt fast so wie Frauen, über die ich mich jahrelang lustig gemacht habe. Solche, die mit einem aufbehaltenen Hut am Kopf in einer überheizten Vorstadtkonditorei in Cremeschnitten nach ihrem verlorenen Glück wühlten. Warum essen alte Menschen so gerne Süßes, hat sich schon der Herr Karl gefragt. Und sich selbst die Antwort gegeben: „Man nimmt’s in den Mund und es vergeht die Zeit.“ Mein Heroin heißt Punschkrapfen. Es ist wirklich entsetzlich. Ich gaukle mir vor, dass ich eine vom Geheimdienst entsandte Punschkrapfen-Spionin bin, die die Mission hat, eine Topsecret-Rezeptur für ihr Mutterland sicherzustellen. Aktueller Stand: Platz 1: Demel, 2: Schwarzes Kameel, 3: Aida. Dieser rosa Irrsinn hat sicherlich mit dem Nikotinentzug zu tun, meine interne Dopamin-Truppe ist völlig von der Spur. Inzwischen ist ein echtes Paradoxon eingetreten: Ich futtere das pinke Zeug, um nicht zu rauchen, wenn ich aber damit aufhöre, könnte ich mir in der Sekunde drei Zigaretten gleichzeitig in den Mund stecken. Was ich dann auch manchmal tue. So was nennt man eine „Lose-lose-Situation“. Ich schäme mich natürlich bis in die Knochen, denn ich kenne so viele Streberinnen die um 15 Uhr ihr letztes Salatblatt einspeicheln, ehe sie sich um neun noch ein Haferbreichen für den nächsten Morgen richten, um dann mit dem Schlaf vor Mitternacht zu schmusen. Beim berühmten Marshmallow-Experiment hätte ich katastrophal abgeschnitten, weil null Einteilungsfähigkeit. Von den funktionstüchtigen Blattsalat-Einspeichlerinnen kann man ja so viel lernen. Und allem voran: wenig Spaß zu haben.

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