Chaos de Luxe: Zeit der Trost-Bolognese

Warum Vorfreude die beste aller Freuden ist.
Polly Adler

Polly Adler

Das teuerste Brot der Welt kam unlängst wohlbehalten in Schottland an. Meine Freundin A hatte es ihrem in St. Andrews studierenden Sohn geschickt, 120 Euro UPS-Gebühr. Gut, ein selbst gebackener Guglhupf war auch noch dabei: „Man darf die Sendegebühr nur flüstern, aber diese Schotten können überhaupt kein Brot machen. Er hat fast geweint vor Glück.“ Was für ein Gruß aus einer versinkenden analogen Welt, Fresspakete zu verschicken, wo doch jedes noch so exotische Gericht per Knopfdruck geordert und innerhalb kürzester Zeit von einem durchfrorenen Fahrradboten zugestellt werden kann. Tatsächlich ist es doch so, dass die seelische Komfortzone oft mit Geschmacksrichtungen in Verbindung gebracht wird. Jedes Mal, wenn ich den Duft von Zucchini einatme, denke ich an meinen ersten Urlaub in Grado im Alter von vier. Das Hirn ist assoziationsmäßig unheimlich ausgeschlafen. Mein Kind und ich haben uns um diese Jahreszeit oft eine über Stunden köchelnde Trost-Bolognese gemacht, weil wir ein Pflaster wegen der meteorologischen Mürrischkeit brauchten. Ich habe den in Berlin lebenden Fortpflanz in diesem Jahr gerade eine Woche gesehen. Kontaktpflege nur in Form von Telefonaten und Banküberweisungen. Vielen meiner Freundinnen geht es ähnlich mit ihren Kindern, die oft in Europa verstreut leben. Vorauseilende Quarantänepanik. Aber Vorfreude ist die Präsidentin der Gesellschaft für Freuden aller Art. „Du wirst meiner Liebe nicht entgehen“, kichert das Kind ins Telefon, „das Zugticket ist eingetütet, am 18. Dezember macht dein Leben wieder Sinn, dann ist das Fortpflänzchen in the house. Und dann machen wir endlich die depperten Vanillekipferln, die wir jedes Jahr verschieben.“ Ich werde rotbackig und onduliert am Bahnsteig stehen und mir vorstellen, dass ich die pathos-trunkene Protagonistin eines Weltkriegsheimkehrerdramas bin. Bis dahin Bolognese in der Endlosschleife.

Pollys „Nymphen in Not“: am 1., 8. & 15. November im Wiener Rabenhof: Mit Petra Morzé und abwechselnd den Damen MacDonald, Beimpold & Happel

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