Chaos de Luxe: Tundra-Blüten
Nach langer Sendepause schliff sich ein Redaktionskollege aus dem Paläolithikum bei mir in Kabanien ein. Nach dem üblichen Smalltalk teilte er mir strahlend mit, dass er eben (zum dritten Mal) ja gesagt hatte und man sich eben durch den Behördenkram durchackern müsse. Die Dame sei aus der Ukraine, das bisschen Nicht-Deutsch könne man locker überspringen. Er zückte sein Handy, um mir Daria in allen erdenklichen Charmeoffensiven (an Tundrazweigen schnuppernd, neckisch zwinkernd im kleinen Nichts, kuschelnd mit einem Rehlein) zu zeigen. Wobei in dem Portfolio auch nicht ihre häuslichen Fähigkeiten außer Acht gelassen wurden, die sich in jeder Menge Szenarien beim von frivolen Blicken begleiteten Kirschenverkochen und Teigrollen manifestierten. Eine große Affinität zu
Ariana Grande war nicht nur frisurentechnisch offensichtlich, wahrscheinlich weil beide Grazien in derselben Altersgruppe hausten. Ich zwang mich zu Entzückensschreien und dachte, dass ich solche Handelspartnerschaften bislang nur aus Ulrich-Seidl-Filmen kannte. Der Kollege war zwar kein Lottogewinn, hatte aber immer clevere, durchaus amüsante Erlebnisgefährtinnen an seiner Seite gehabt. Außerdem: Wer ist bitte schon ein Lottogewinn? Warum hatte er sich also in das wilde Absurdistan des Netzes auf Brautschau begeben? „Weißt du, was der Unterschied zwischen euch superemanzipierten Karrierebiestern (Anm.: Ich nahm das als Kompliment) und Frauen wie Daria ist?“ – Ich verbiss mir ein „Dass sie Typen wie dich toll finden?“, das wäre zu billig gewesen, sondern schüttelte nur den Kopf. „Der Unterschied ist Zufriedenheit, mit dem, was da ist“, erklärte er mit versonnenem Blick. „Genügsamkeit heißt die Kanaille“, sagte ich, „leider nicht in meiner und meiner Waffenschwestern DNA. Viel Glück mit der Tundra-Blüte ...“ Ich hatte dem Himmel sei Dank noch Wodka im Haus.
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