Chaos de luxe: Schicksal mit Salzgurken

Einen Zyklon der Ernüchterung überlebt.
Polly Adler

Polly Adler

Dramen spielen sich ab, Babies! Es ist nahezu so herzergreifend peinlich, wie in unserem Alter mit nabelfreien Tops durchs Leben zu schlendern, aber ich habe Freundinnen, die tindern. Der Typ, mit dem O seit Wochen per Mail „Seelenwanderungen“ absolviert hatte („Das war Schicksal, aber echt du!“), sah aus wie ein türkisches Versandhaus-Model aus den 1990er-Jahren. Unter uns: Dieser „Jake“ roch nach Fake. „Er ist verrückt nach Rilke, hört Chet Baker und bäckt gerne französische Tartes“, schwärmte sie. In Kombi mit diesem Aussehen und unter uns: Zu gut, um wahr. Nach Wochen kam es endlich zu einem Treffen, das Jake verdächtig oft hinausgezögert hatte. Und dann der Zyklon der Ernüchterung. Jake hieß eigentlich Erwin und hatte eine Salzgurken-Manufaktur im Seewinkel und, wie er überzeugt war, „das Herz am rechten Fleck“. Sein Kulturverständnis beschränkte sich auf Musicals, Jazz machte ihn „eher wurlert, also nervös“. Damit konnte man sich eventuell noch arrangieren, aber der Herr E fiel optisch eher in die gemütlich-rustikale Kategorie, also bestenfalls ein Buerlecithin- Model. Das Tinder-Profil hatte ihm seine frankophile Nichte eingerichtet, der scharfe Türke war aus dem Netz geklaut. Die Evi-Nichte hatte ihm erzählt, dass Frauen über den besten Jahren auf backende Männer, die dabei Cool Jazz hören, und „so Sachen“ stünden. O war ein Trümmerhaufen nach diesem ersten Treffen mit Fake-Jake. Dann fuhr sie doch noch einmal in den Seewinkel – „aus purem Masochismus, auch damit ich endlich kapier', dass der Typ meiner letzten Wochen ein Fantasma war ...“ Sie wird übrigens wieder hinfahren. Weil Salzgurkerl-Erwin – und jetzt halten Sie sich an – „so authentisch ist, er steht einfach zu sich, das ist irgendwie erfrischend, solche Männer findet man ja im urbanen Gebiet kaum!“ Ein Hoch auf die Situationselastizität, Leute!

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