Chaos de Luxe: Psycho-Hobby Selbstliebe
Selbstliebe ist der It-Sport der Saison. Von den 78.000 Ratgebern, die halbjährlich erscheinen, sind Anleitungen zum Kuschelkurs mit sich selbst neben Titeln „Motivation, wo bist du? – Ich bin nicht faul, mir ist alles immer nur so scheißegal!“ oder „Hilfe! Ich bin militant vegan und liebe einen Fleischfresser!“ oder „Radikale Bodyakzeptanz! – Durch die Macht der Illusion die Realität überwinden“ ganz vorne dabei. Die Party-Machiavellisten von Ibiza demonstrierten in ihrem Image-Film für Hybris, dass Selbstüberschätzung das krasse Gegenteil von Selbstliebe ist. Selbstüberschätzung fußt meistens auf einem Minderwertigkeitskomplex, angerichtet von Müttern mit Iglo-Emotionen oder einem Schluckspecht von Vater, der in der dauerhaften Abwertung seiner Brut Bezirksmeister war. Doch nicht nur eine Kindheit von der Substanz einer Doku-Soap auf RTL 2 kann den Grundstein für ein späteres Gefühl der Unzulänglichkeit legen: Auch Mobbing-Traumata in der Krabbelstube, im Büro oder im Parlament leisten da ihren wertlosen Beitrag. In jedem Fall lässt sich mit einem hochtourigen Größenwahn der große Mangel an Selbstbewusstsein – zack,zack – zumindest für ein Weilchen kompensieren. Uns kleinen Frauen und Männern bleibt da nur der steinige Weg zur Selbstliebe. „Was aber“, frage ich C, die gerade bei einem 150 Euro/45 Minuten-Coach schmusen mit sich selbst lernt, „wenn ich mir streckenweise gar nicht so sympathisch bin, weil ich an den falschen Stellen zu laut lache und die Lichtquellen in den Umkleidekabinen mit einem Kleinkaliber töten möchte?“ – „Mein Coach hat gesagt, das sind Widrigkeiten, die die Beziehung zu dir nur festigen.“ Wahrscheinlich muss man zur Selbstliebe einfach einen Zustand entwickeln wie Stefan Petzner zum Tanzen: Köpfchen abschalten und einfach drauflos swingen. Ohne Rücksicht auf Verluste.
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