Chaos de Luxe: Pitbull-Terrier von Frauen
Polly Adler über emotionale Schieflagen
Ich bin durch mit dem Typen.“ – „Schön.“ – „So ein emotionaler Gartenzwerg.“ – „Toll, dass du das so siehst.“ – „Was glaubt er eigentlich, wer er ist ...“ – „Ein rattenscharfer Künstler.“ – „Findest du?“ – „Ich nicht. Aber schau' dir die Schlange von Kampfgroupies nach jedem Gig an.“ – „Ödes Klampfengezupfe. Dünne Stimme. Ein einziges narzisstisches Lamento ...“ – „Mhmmm ...“ – „Findest du, dass er noch gut aussieht?“ Nun ja, man könnte sagen, eine Art Ryan Gosling für Reihenhausbewohnerinnen, aber ich schüttle den Kopf: „Nicht wirklich. Außerdem hat er sich viel zu lieb. Unsexy.“ – „Ja, genau. Das war auch mein allererster Eindruck.“ K hatte den Singasongwriter in einer Psychodramaklasse kennen gelernt und war seiner Einladung in einen Folkclub (Publikumssoziologie: männliche Zuschauer mit hohem Schuppen-Aufkommen, durchsetzt von Spätblondinen mit Zuwendungsdefiziten) gefolgt. Nach einem hitzigen Geschnäbel in der verschwitzten Garderobe hatte sie sich in eine Fieberfantasie zukünftiger Zweisamkeit wie ein Pitbullterrier verbissen. Irgendwie verständlich. Es ist ja auch tatsächlich in unserer Altersklasse so, wie der Mime der Herzen Hanno P. einmal über die Rollenangebote im heimischen Film sagte: „Wenn ich durch die Wüste hatsch', sag' i a net: Die Oase g'fallt ma net, i nehm lieber die nächste.“ K hätte auf das Schwerpunktthema ihrer Psychodramaklasse einen zweiten Blick werfen sollen. Es lautete nämlich „Narzissmus – der Fluch der Ego-Gesellschaft“. Jetzt bekam ich einen scharfen Verweis. „Hör' endlich auf, ständig über ihn zu reden.“ – „Wie bitte?“ – „Ja! Das tut mir weh!“ – Ich schwieg, weil alles andere sinnlos war. „Schön schauen wird der noch, und wie schön der noch schauen wird ...“, murmelte sie jetzt. Ich dachte an die Nougat-Augen des Emo-Gartenzwergs und die Kampf-Groupies. In dem Fall hatte sie sogar Recht.
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