Chaos de Luxe: Nie bei IKEA gewesen

Über Beziehungen, die so alltagstauglich sind, wie ein bodenlanger Zobel
Polly Adler

Polly Adler

Seine Augen waren noch immer im Farbton ermattete Kornblume gehalten und entsprechend unwiderstehlich. Ein munteres Liedchen pfeifend hätte ich für ihren Besitzer vor einigen Jahren noch das Familiensilber in die Pfandleihanstalt getragen. Manchmal durchkreuzen das Leben eben Menschen, die einem die Vernuftssicherungen glatt durchschmoren lassen. Es sind oft anstrengende, ungesunde Beziehungen, die so gar nichts mit gemeinsamen Wanderungen und Besuchen bei IKEA zu tun haben. Oder vielleicht irgendwann doch? Nur kommt es eben nie dazu. Denn meist sind solche Verbindungen so alltagstauglich wie ein bodenlanger Zobel, aber nie so warm. Die matte Kornblume war nach drei wilden, intensiven Monaten auf Tauchstation gegangen. Ich konnte ihn nirgends finden – nicht im Netz, nicht in unserem Stammcafé, er war wie mit der Delete-Taste gelöscht. Dabei hatte er zuvor auf das Beziehungspedal gedrückt, dass selbst mir  ganz schwindlig wurde: In-vitro-Drillinge, gemeinsames Auswandern in die Provence, das ganze Tralala. Und dann das große Nichts. Niente. Nada. Nach sieben Jahren stand er einfach vor meiner Haustür und sagte grußlos: „Ich bin bi ...“ – „Ach, was für eine Erleichterung. Dann musste ich es wohl nicht so persönlich nehmen.“ – „Nein, nicht bisexuell, bipolar ... Ich konnte es niemand sagen, weil ...“– „Das niemand verstehen kann?“ Er nickte. „Und wie geht's dir jetzt?“ – „ Wie die Medikamente wollen ...“ Wir prusteten gemeinsam los. Lachen war in dieser Anti-IKEA-Zeit auch unser emotionaler Nummer-eins-Klebstoff gewesen. „Noch immer Wodka-Tonic?“ – „Fantastisch, nein, unerträglich ekelerregend, oder doch fabelhaft?!“ Ich fand diese Wahrheitsnummer hinreißend. Und auch erleichternd. Für uns beide. Und band schon einmal mental das Familiensilber fest. Denn diese Augen waren noch immer so ... Gott schütze Österreich. Aber nicht jetzt sofort.

Polly & die Band „Eidlacker“ – musikalische Lesung im Schutzhaus der GF Ottakring,  16.11.:  19.30 h,
Anmeldung: 0676 630 32 28

https://www.pollyadler.at

polly.adler@kurier.at

Kommentare