Chaos de luxe: Marie Antoinette-Alarm
Ich denke jetzt oft an meine Omschi, deren „Wir haben das alles nicht gehabt“ und „Während des Krieges“-Anekdoten am Familientisch in der Enkel-Fraktion häufig himmelnde Blicke und Bitte-nicht-schon-wieder-Seufzer nach sich zogen. Sie erzählte gern, wie sie sich mit zwei Kleinkindern und Pappkoffern quer durch das Trümmerreich nach Wien durchgeschlagen hatte. Nach dem Horrortrip fand sie sich vor der versperrten Tür ihrer Mietwohnung, in der sich eine ausgebombte Familie eingebunkert hatte. Die Oma konnte bei ihren Mitbewohnern gerade noch das Kabinett hinter der Küche als Lebensraum durchsetzen, bis der Opa kam und Rambazamba machte. Essensüberbleibsel konnte sie für den Rest ihres Lebens nicht wegwerfen. Alles musste weg, Bauchweh egal. Coronistan hätte ihr maximal ein stoisches Achselzucken abverlangt: „So ein Gfrett ist das jetzt auch wieder nicht, wir haben doch alles.“ Die Krisen-Geeichten sind natürlich durch den neuen Beklemmungs-Surrealismus in Drachenblut gebadet und weniger verwundbar als wir bobofizierten Luschen. Mit unserer langjährigen „Was kostet die Welt?“ - „Gut, dann nehm' ich sie zwei Mal!“-Attitude stehen wir jetzt natürlich unter Lifestyle-Schock. Manche gehen als Beruhigungsmittel gegen dieses Unbehagen in die Sauerteig-Offensive. Postings von selbst gebackenem Brot, bis der Arzt kommt. Sogar die Washington Post schreibt, dass der Begehrtheitsfaktor von Germ und Mehl in den Supermärkten inzwischen nahezu Klopapier-Status habe. Die Eigenbrotler erinnern ein wenig an Marie Antoinette, die in Versailles noch immer Bäuerin mit ihren Schäfchen spielte, als in Paris bereits die Bajonette geputzt wurden. Hilfe gibt es wie immer bei Herrn Loriot. Unserem aktuellen Früher-war-mehr-Lametta-Gewinsel kläfft er entgegen: „Das, was am Leben komisch ist, sind die Krisen. Alles, was nicht Krise ist, ist nicht komisch.“ In der Distanz der Erleichterung werden wir uns schief lachen. Versprochen!
Kommentare