Chaos de Luxe: Little Ms. Tasteless
Die Stehlampe in K's von gediegenem Vintage-Design geprägten Wohnzimmer war von exzentrischer Scheußlichkeit. Ein Keramik-Unterbein mit kanarigelbem Sneaker, auf dem ein Lampenschirm prangte, den fröhlich grinsende Fußballer zierten. Ich erstarrte: „Wo bleibt die Geschmackspolizei, wenn man sie wirklich braucht?“ Er kratzte sich am Hinterkopf: „Ein Geschenk von der neuen Liebsten. Sie findet, dass Ambiente könnte eine gewisse Art von Munterkeit vertragen.“ – „ Wie kannst du sowas ohne innere Ausschläge ertragen?“ Er zuckte die Schultern: „Ihr g’fallts und mir is’ wurscht.“ Früher hätte sich K eher auf grausame Art entleibt, als solche Gegenstände in Begleitung ihrer Frauen über seine Schwelle passieren zu lassen. Offensichtlich war er zu einem Härtefall von Altersmilde mutiert. „Weißt du“, sagt er später bei einem Bacardi-Cola (der Lieblingsdrink der Geschmacksverirrten), „ich hatte genug Frauen in Helmut Lang und Prada, die nur skandinavisches Design und Bauhaus-Inventar in ihre Räume ließen.“ Und am Ende des Tages seien die zwar geschmackssicher, aber eben auch extrem anstrengend. Die wollten ständig Kunstausstellungen besuchen oder kapitalismuskritische Theaterstücke in drei Sprachen sehen. Die Vorgängerin von „Little Ms. Tasteless“, wie ich seine „Liebste“ insgeheim nannte, hatte sogar, ohne ihn zu fragen, eine Rundreise in Island gebucht: „Ein Alptraum, nichts als heiße Quellen, blasse Menschen und rentierlastige Gerichte zu Höchstpreisen.“ Die „Liebste“ (er gebrauchte diesen affigen Ausdruck jetzt schon zum dritten Mal) wäre eben so angenehm genügsam, eine kleine Wanderung in den Wienerwald, ein Bowlingabend im Prater, maximal ein Musical-Besuch ... herrlich! Es gab nur zwei Möglichkeiten, warum K in die Ihr-g'fallt's-und-mir-is-wurscht-Zone geschlittert war: Resignative Prä-Senilität oder exorbitanter Sex. Ich hoffte für ihn, also eigentlich für uns alle, letzteres.
Tipp: „Nymphen in Not“: am 9. 8. im Südbahnhotel am Semmering: Mit den Damen Beimpold & Morzé.
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