Chaos de Luxe: Kollaps-Positivity 2

Simple Therapien zur Liebesreanimation im Lockdown
Polly Adler

Polly Adler

Ich ertrage es, endlich ertrage ich es!“, zwitscherte K ins Telefon. Wie sich später herausstellte, ging es um das „Nen“. Ihr Lebensabschnittspartner hatte die etwas enervierende Gewohnheit hinter jeden Satz ein „Nen“ zu stellen, mit „?!“ Abgesehen davon war er Freejazz-Fan (eine Leidenschaft, die er so gerne mit ihr geteilt hätte) und redete über K mit seinen Freunden als „die Holde“, was K schon überdies wie einen Pfitschipfeil auf die Palme schnellen ließ. „Holde, geht’s noch? Ich möchte ihn mit nassen Fetzen rhythmisch schlagen“, brüllte sie oft bei unseren Telefonaten. Nach der Feuerprobe des zweiten Lockdowns, so war ich sicher gewesen, musste man mit einer Beziehungsruine rechnen. Aber es gibt in dieser Zeit, in der man sich generell wie in einem schlechten C-Hollywood-Seuchenmelodram fühlt, wo Ben Affleck einen fieberhaften Impfstoff-Forscher gibt und die lebensrettungsbesessene Intensivmedizinerin überschaubar überzeugend von Gwyneth Paltrow dargestellt wird, auch Lichtmomente.
 #kollapspositivity. K hatte sich wieder in den Nen?!-Mann verliebt: „Es war simpel. Ich machte mir jeden Tag eine Liste mit seinen Bussi-Eigenschaften.“ Er wirkte beruhigend. Er hatte von Freejazz auf Alternative Folk umgesattelt. Er übte sich in fantastischen Schmorgerichten. Und, das war das Wichtigste, er textete sie nicht dauerhaft zu, sondern ließ sie in Ruhe ihrer Netflix-Bulimie nachkommen. In einer einzigen Nacht hatte sie sich „The Crown“ reingezogen, was durchaus auch seine pädagogischen Werte hatte.
Am tragischen Schicksal von Diana, die eine narzisstische Zicke gewesen sein muss, ließe sich, so K, klar erkennen: „Hüte dich vor überzogenen Erwartungen, sonst zeigt dir das Leben ständig den Mittelfinger, nen?!“
Sie hatte es tatsächlich gesagt. And then they nent together ever happily after ...

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